Aktuell wird viel darüber gerätselt, ob wir nun schon in einer Rezession sind oder nicht. Technisch gilt dies für die USA, während Deutschland noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen ist, denn in der Bundesrepublik stagnierte das Wachstum im zweiten Quartal lediglich bei 0,0 Prozent. Für eine Rezession hätte das zweite Quartal allerdings mindestens mit 0,1 Prozent im Minus abgeschlossen werden müssen.
Was viele Menschen derzeit verwirrt, ist der Arbeitsmarkt. Sowohl in Deutschland wie auch in den USA werden Facharbeiter aktuell von den Firmen händeringend gesucht. Wer seine Arbeitskraft anbietet, hat in dieser Konstellation nicht nur gute Chancen, eingestellt zu werden, sondern kann bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen auch entsprechend gut pokern.
Damit bleiben die Löhne und Gehälter zunächst tendenziell hoch und kommen noch nicht unter Druck. Auch in den USA verweist US-Präsident Joe Biden derzeit auf den noch sehr robusten Arbeitsmarkt, um gegenüber der amerikanischen Bevölkerung seine Sicht zu untermauern, dass Amerika derzeit noch nicht in einer Rezession stecke.
Verstellt der Blick auf die Wahl den Blick auf die Realität?
Das Vorgehen des Präsidenten ist verständlich, denn im Herbst stehen in den USA die Zwischenwahlen zum Kongress an und Joe Biden sieht die Gefahr, seine Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments zu verlieren. Anschließend hätte er gute Chancen, ein Präsident zu werden, der von der Opposition in allen Fragen gnadenlos ausgebremst wird.
Verhindern kann Joe Biden dies nur noch, wenn es ihm gelingt, mehr Stimmen hinter den Kandidaten seiner eigenen demokratischen Partei zu versammeln. Das gelingt leichter, wenn die Bürger das Gefühl haben, ihnen gehe es gut und die Zukunft wird noch besser werden als die Gegenwart. Mit Blick auf den nahen Wahlkampf ist die Taktik des US-Präsidenten deshalb verständlich.
Sie ist allerdings auch gefährlich. Gerade ein Blick in die Vergangenheit zeigt dies. In den Jahren unmittelbar vor der Finanzkrise ging die US-Produktion bereits seit dem Jahr 2006 zurück und deutete an, dass eine Krise bevorsteht. Der Arbeitsmarkt zeigte in dieser Zeit jedoch lange Zeit eine relative Stärke.
Er brach erst zu dem Zeitpunkt ein, an dem auch dem letzten Unternehmen klar war, dass nichts mehr zu retten war. Danach ging es dann allerdings umso schneller in die Tiefe. Eine Situation wie diese könnte sich auch jetzt wieder entwickeln – allen Beteuerungen der Politik zum Trotz.