In mehreren Bundesländern beginnen die Sommerferien und während sich viele Menschen darauf freuen, die Enge der eigenen Wohnung endlich einmal hinter sich lassen zu können, denkt die Gewerkschaft der Lokführer (GLD) bereits über konkrete Arbeitskampfmaßnahmen nach.
Am Dienstag hatte die Gewerkschaft die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn für gescheitert erklärt. Nun wird ein Streik vorbereitet. Einzelheiten will GDL-Chef, Claus Weselsky, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin mitteilen. Die Gewerkschaft betonte allerdings, dass die benötigten Beschlüsse zum Streik bereits vorliegen.
Die Bahn hatte Einkommenssteigerungen wie im Bereich der Flughäfen angeboten. Dort war wegen des starken Rückgangs der Passagierzahlen ein „Notlagentarifvertrag“ vereinbart worden. Er sieht Einkommenszuwächse von 1,4 Prozent ab dem Oktober 2022 vor. Im April 2023 sollen die Löhne und Gehälter um weitere 1,8 Prozent steigen.
Der GDL reichte dieses Angebot nicht. Die Beschäftigten hätten mehr verdient als nur einen Ausgleich der Preissteigerung, argumentierte Claus Weselsky. Seine Worte wecken Erinnerungen an den 2005 verstorbenen Heinz Kluncker. Er war zwischen 1964 und 1982 Vorsitzender der ÖTV, heute Verdi, und für seine harte Tarifpolitik bekannt.
Diese Forderung könnte die Lohn-Preis-Spirale starten
Im Tarifstreit des Jahres 1974 trotze er der damaligen Regierung Willy Brandt im Anschluss an einen dreitägigen Streik der Müllabfuhr Einkommenszuwächse von elf Prozent ab. Die Inflation lag zu dieser Zeit allerdings nur zwischen neun und zehn Prozent. Verhandelt hatte den Abschluss, der deutlich mehr als nur einen reinen Inflationsausgleich beinhaltete, auf Regierungsseite der damalige Innenminister Hans Dietrich Genscher.
Durch diesen Tarifabschluss kam die Lohn-Preis-Spirale und mit ihr die Inflation endgültig ins Rollen. Die Deutsche Bundesbank hatte anschließend bis zum Ende des Jahrzehnts darum zu kämpfen, sie wieder auf ein vertretbares Maß zurückzuführen. Das gelang allein durch massive Zinserhöhungen.
Vollbeschäftigung gab es in Deutschland anschließend nicht mehr, denn der Rest der 1970er Jahre war von Stagflation, also einer unheilvollen Mischung aus Inflation und wirtschaftlicher Stagnation geprägt. Viele Ökonomen warfen Heinz Kluncker bzw. den Gewerkschaften vor, eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt zu haben, darunter auch der damalige Vizepräsident der Bundesbank, Otmar Emminger.
Claus Weselsky und die von ihm geführte Gewerkschaft der Lokführer sind auf dem besten Weg, sich schon bald ähnlichen Vorwürfen gegenüberzusehen. Der Ärger der Urlauber über verspätete und ausgefallene Züge dürfte dabei noch ihr geringstes Problem sein.