Dass die Inflationsraten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit derzeit so stark auf dem Vormarsch sind, kommt für viele überraschend. Auch die Gründe für den starken Preisanstieg überraschen vielfach, denn wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass es ausgerechnet die Schifffahrt sein wird, welche die Inflation besonders stark mit antreibt?
An den Kassen im Supermarkt sind die Kostensteigerungen schon spürbar, aber dort ist das Phänomen Inflation noch nicht so deutlich zu erkennen wie bei den Preisen für Rohstoffe und Vorprodukte. Sie legten im Mai in Deutschland um stolze 7,2 Prozent zu. Dass zumindest ein Teil dieser Mehrkosten nicht beim Endverbraucher ankommen soll, ist nicht zu erwarten.
Wie stark die Kosten im Seehandel gestiegen sind, zeigen die Frachtraten. Vor dem Beginn der Coronakrise waren für einen Standardcontainer auf der Strecke zwischen Rotterdam und Shanghai Raten zwischen 1.000 und 2.000 US-Dollar zu zahlen. Heute werden auf der gleichen Route nach Angaben des Analysedienstes Drewry stolze 12.000 US-Dollar berechnet.
Aber es sind nicht allein die Routen von und nach China auf denen die Preise in den letzten zwölf Monaten geradezu explodiert sind. Drewrys World Container Index, der die Frachtraten im gesamten globalen Schiffsverkehr abbildet, stieg zuletzt auf einen neuen Spitzenwert von 7.000 US-Dollar.
Am Ende zahlen die Verbraucher die Zeche
Der wichtige Parameter Fracht wird für viele Unternehmen damit zu einem zunehmend unkalkulierbaren Risiko, warnt der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Er bezieht sich dabei nicht allein auf den finanziellen Aspekt der extrem stark gestiegenen Frachtraten. Auch die Verspätung der Schiffe ist enorm, was ebenfalls auf die stark beanspruchten Lieferketten nicht ohne Auswirkungen ist.
Auch bei der Verbraucherpreisinflation sind die Probleme im Welthandel inzwischen angekommen. Das Essener Forschungsinstitut RWI rechnet in diesem Jahr mit einer Teuerungsrate von im Schnitt 2,5 Prozent. Ein Wert, der deutlich über dem 2,0-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank liegt.
Noch beunruhigender sind die Erwartungen des Instituts für Weltwirtschaft (ifW) in Kiel. Dort kann man sich in den kommenden Monaten sogar einen temporären Anstieg der Inflation auf bis zu vier Prozent vorstellen. Da 90 Prozent der Waren auf dem Seeweg transportiert werden, sind die aktuellen Probleme der Reeder über kurz oder lang auch die Inflationsprobleme der Verbraucher.