Im Interview mit Focus Online erläutert der Ökonom Daniel Stelter die aktuellen Herausforderungen der deutschen Automobilindustrie, insbesondere am Beispiel von Volkswagen. Er betont, dass die Krise bei VW nicht überraschend komme, da sich der Automarkt in Europa aufgrund politischer Entscheidungen und technologischer Umbrüche verändere. Faktoren wie der Übergang zur Elektromobilität, der Diesel-Skandal und eine alternde Gesellschaft hätten den Markt bereits geschwächt.
Politik beschleunigt den Wandel
Stelter erklärt, dass der technologische Wandel – insbesondere der Umstieg auf Elektromobilität – zwar unvermeidbar sei, jedoch von der Politik beschleunigt werde. Dies habe den Markt besonders für Neueinsteiger wie Tesla und chinesische Hersteller geöffnet, die von den veränderten Anforderungen profitiert hätten, während europäische Hersteller wie VW in Schwierigkeiten geraten seien. Besonders kritisch sei, dass China sich frühzeitig die notwendigen Rohstoffe für die Batteriefertigung gesichert habe, was zu einem technologischen Vorsprung geführt habe.
Zudem hebt Stelter hervor, dass die hohen Kosten in Deutschland, insbesondere für Energie, die Produktion verteuern und den Wettbewerb erschweren. Ein weiteres Problem sei, dass VW durch seine alten Strukturen und die Umstellung auf Elektrofahrzeuge in einer schwierigen Lage sei. Während Verbrenner höhere Gewinne einbringen, sei die Marge bei Elektroautos deutlich geringer.
Zur Rolle der Politik sagt Stelter, dass die Ampel-Regierung die falsche Politik der Vorgängerregierungen fortsetze. Er kritisiert die hohen Energiepreise und die politische Entscheidung, den Atomausstieg zu vollziehen, was die Standortbedingungen verschlechtert habe. Ein „Industriestrompreis“, wie von der SPD vorgeschlagen, könne zwar kurzfristig helfen, löse jedoch das Grundproblem der teuren Energieerzeugung nicht.
Letztlich sieht Stelter die deutsche Industrie vor großen Herausforderungen. Er warnt vor einer möglichen Deindustrialisierung, wenn keine grundlegenden Änderungen in der Energiepolitik und der Industrieausrichtung erfolgen. Es gebe zwar Bereiche, in denen Deutschland noch technologische Vorteile habe, doch das generelle Risiko, den Anschluss zu verlieren, sei groß.