Die Bundestagswahl liegt nur wenige Monate zurück und dennoch dürfte schon viele Deutsche das Gefühl beschleichen, ihr Kreuz möglicherweise an der falschen Stelle gesetzt zu haben. Da die neue Ampelregierung noch nicht lange im Amt ist und deshalb auch noch nicht allzu viel Porzellan zerschlagen konnte, dürfte sich das mulmelige Gefühl der Bevölkerung eher auf das Parlament als Ganzes beziehen.
Seine Mitglieder scheinen, sich über niedere Volk schon lange erhaben zu fühlen. Viele der Probleme, die im Reichstag eifig diskutiert werden, sind nicht die Sorgen der normalen Bevölkerung. Geht es zur Abwechselung doch einmal um diese, stellt sich schnell das Gefühl ein, dass es so manchem Abgeordneten und Minister mehr um die eigene Karriere und den eigenen wirtschaftlichen Gewinn geht als um das abstrakte Wohl des Volkes.
Insbesondere mit dem Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung scheinen unsere Abgeordneten immer wieder zu fremdeln. Ein Vorteil der Parlamentarier ist, dass diese über ihre eigenen Bezüge selbst entscheiden. Das ist praktisch, denn so entfallen die lästigen Gehaltverhandlungen mit dem Chef. So von vielen Fesseln befreit haben sich die Abgeordneten des Bundestages schon in der Vergangenheit eine Sonderpauschale in Höhe von 1.000 Euro pro Monat gegönnt.
Alle Tiere sind gleich, aber einige sind gleicher
Ob diese berechtigt ist oder nicht, darüber soll jetzt gar nicht diskutiert werden. Wichtiger ist etwas anderes: Die Einnahmen aus dieser Sonderpauschale sind steuerfrei. Wenn Handwerker, Schichtarbeiter, Selbständige oder Unternehmer durch etwas Mehrarbeit beständige Mehreinkünfte von 1.000 Euro pro Monat haben, sind diese alles andere als steuerfrei. Im Gegenteil: Dank der progressiven Besteuerung steigt die Steuerlast mit dem Verdienst.
Wie diese höchst unterschiedliche Behandlung von Mehreinnahmen bei Abgeordneten auf der einen und dem Rest der Bevölkerung auf der anderen Seite mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes zusammenpassen soll, erschließt sich mir nicht. Die Berechtigung der Zahlung als solche soll dabei gar nicht in Frage gestellt werden, die unterschiedliche steuerliche Behandlung allerdings schon.
Dass auch der neue Bundestag in dieser Tradition fortzufahren gewillt ist, wird in diesen Tagen deutlich, wenn der geneigte Bürger feststellen muss, dass das Corona-Virus unseren Politikern offenbar wohlgesonnener ist als dem Rest der Bevölkerung. Anders ist es kaum zu erklären, dass der Genesenenstatus für Normalbürger deutlich verkürzt wird, während für die Volksvertreter weiterhin die alte Regelung gilt.
Es ist an dieser Stelle unbedeutend, ob den Parlamentariern die Wirkung ihrer Extrawürste auf die Wähler einfach nur vollkommen egal oder gar nicht bewusst ist. Im einen wie im anderen Fall wirft es ein bezeichnendes Licht auf die Damen und Herrn im Reichstag.