Zuletzt endete die Arbeitswoche nicht gut für Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz, denn erneut hat ein hohes deutsches Finanzgericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von derzeit geltenden Steuerbestimmungen geübt. Nach dem Nachbesserungsbedarf bei der Doppelbesteuerung von Renten steht dem Finanzministerium nun neuer Ärger ins Haus.
Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte den Streitfall eines Klägers zu verhandeln, der aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt hatte. Diese Verluste können nach der seit 2008 geltenden Regelung nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften, nicht aber mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden.
Ein Anleger, der beispielsweise auf dem Höhepunkt einer Börsenhausse in den Markt einsteigt, Verluste macht und sich anschließend auf Dauer vom Börsengeschäft fernhält, hat somit keine Möglichkeit, seine aufgelaufenen Verluste mit anderen Kapitalgewinnen zu verrechnen. Gegen diese Regelung hatte sich der Kläger gewandt und beantragt, dass seine Verluste mit Kapitaleinkünften verrechnet werden, die nicht aus der Veräußerung von Aktien stammen, beispielsweise Zinseinnahmen.
Der Bundesfinanzhof hat erhebliche Zweifel
Den Richtern des VIII. Senats kamen während des Verfahrens starke Zweifel, ob die derzeit angewandte Steuerpraxis an diesem Punkt den Vorgaben des Grundgesetzes genügt. Sie haben deshalb dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Frage vorgelegt, „ob es mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist, dass nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912) Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen.“
In seiner Begründung führt der VIII. Senat aus, dass nach Auffassung des BFHs die derzeitige Form von § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung bewirkt, „weil sie Steuerpflichtige ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben.“
Die Begründung des Bundesfinanzhofs ließt sich wie eine massive Schelte an der auch in anderen Fällen immer wieder aufscheinenden Praxis des Finanzministeriums, den steuerzahlenden Bürger, ohne Rücksicht auf dessen Grundrechte, einfach nach Kräften zu schröpfen: „Eine Rechtfertigung für diese nicht folgerichtige Ausgestaltung der Verlustausgleichsregelung für Aktienveräußerungsverluste ergibt sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Gesichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen.“