Kritik am deutschen Rechtssystem kommt nun ausgerechnet von Richtern. Der deutsche Richterbund hat nach den jüngst thematisierten Durchsuchungen des Finanz- und Justizministeriums im Zuge der Scholz-Affäre die politische Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte kritisiert. Ein Agenturbericht zitiert den Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes Sven Rebehn dahingehend, dass es noch nicht einmal den Anschein geben dürfe, ein Staatsanwalt würde per politischem Druck Ermittlungen aufnehmen. Dies war in dem benannten Scholz-Fall wiederum zumindest dem Anschein nach passiert.
Keine Weisung – oder doch?
Der Vorstoß des Richterbundes ist bis dahin noch weitgehend unbemerkt geblieben. Deshalb zum Agenturbericht: „Vor dem Hintergrund umstrittener Durchsuchungen im Bundesfinanz- und Bundesjustizministerium und mit Blick auf den Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Berlin drängt der Deutsche Richterbund (DRB) auf grundlegende Reformen. „Wenn SPD, Grüne und FDP auch in der Rechtspolitik eine Koalition des Aufbruchs sein wollen, dann müssen sie das aus der Zeit gefallene deutsche Modell einer politisch weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft jetzt endlich reformieren“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Allein der Anschein, dass ein Minister konkrete Ermittlungen gegen bestimmte Beschuldigte in die eine oder die andere Richtung lenken könnte, untergrabe das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Strafjustiz. Bereits vor zweieinhalb Jahren habe der Europäische Gerichtshof entschieden, „dass deutsche Staatsanwälte wegen des Weisungsrechts der Ministerien nicht unabhängig sind und keine Europäischen Haftbefehle mehr ausstellen dürfen“. Es sei deshalb nun höchste Zeit, „das Gerichtsverfassungsgesetz so zu ändern, dass jegliche Einflussnahme der Politik auf konkrete Ermittlungsverfahren sicher ausgeschlossen wird“.
Auch Carsten Löbbert, Bundessprecher der Neuen Richtervereinigung (NRV), drängte auf eine Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes. Er sagte der NOZ: „Die Koppelung der Staatsanwaltschaften an die Justizministerien sollte aufgehoben und eine andere demokratische Legitimation geschaffen werden. Man könnte etwa einen Generalstaatsanwalt einsetzen, der direkt vom Parlament gewählt und ihm gegenüber verantwortlich ist.“ Hintergrund: Deutsche Justizminister haben das Recht, den Staatsanwaltschaften Weisungen zu erteilen. Die Debatte um das Thema war nach den Razzien in Berlin wieder aufgeflammt. Osnabrücker Staatsanwälte hatten im Zuge von Geldwäscheermittlungen am 9. September – gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl – zwei SPD-geführte Ministerien (Finanzen und Justiz) durchsucht. Das Landgericht Osnabrück prüft derzeit eine Beschwerde des Bundesjustizministeriums, welches die Aktion als unverhältnismäßig kritisiert. Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sagte indessen, es habe in dem Fall keine Weisungen gegeben.“
Bericht mit Material der dts Nachrichtenagentur