Der als sehr erfahren geltende Staats- und Verfassungsrechtler von der Universität Freiburg, Prof. Dr. Dietrich Murswiek, hat gegen die sogenannte „Merkel-Notbremse“ eine Verfassungsklage bei den Bundesrichtern in Karlsruhe vorbereitet. Murswiek gilt als juristische Koryphäe und hat zwei Jahrzehnte lang an dem renommierten Lehrstuhl der Universität Freiburg Staatsrecht gelehrt. Murswiek hat zudem Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht geführt und sich in Publikationen für die Umwelt und gegen den Verfassungsschutz eingesetzt.
Klage umfasst 47 Seiten
Die Karlsruher Bundesrichter müssen sich nun demnächst mit der ersten Verfassungsbeschwerde gegen das von der Bundesregierung beschlossene Gesetz befassen – die erneute Änderung des Infektionsschutzgesetzes, welches massive Einschränkungen sowie Ausgangssperren auf der Basis von Inzidenz-Werten vorsieht. Die 47-seitige Klage liegt der „BILD“-Zeitung vor.
Murswiek hält sowohl die Kontaktbeschränkungen innerhalb der Familie als auch die Ausgangssperren zwischen 22 und 5 Uhr für „unverhältnismäßig“ und „nicht verfassungsmäßig“. Die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen „verletzten die Grundrechte der Bürger über das gebotene Maß hinaus“, so der Staatsrechtler. Dies gelte zudem für die geplanten Schließungen in der Außengastronomie, im Einzelhandel sowie bei Bus und Bahn.
„Eine totale Schließung der Außengastronomie ist zur Vermeidung einer Überlastung der Intensivstationen nicht erforderlich, zumindest aber unangemessen, und verstößt daher gegen die Grundrechte der Betroffenen“, so Prof. Murswiek. Die Ausgangssperre sei „ein Schuss ins Blaue“.
Der Gesetzgeber habe „offensichtlich keine konkrete Abwägung vorgenommen, sondern sich mit allgemeinen Behauptungen und Vermutungen begnügt“, so Murswiek weiter. Der Gesetzgeber habe eine „drakonische Maßnahmen für die Pandemiebekämpfung angeordnet; doch das reiche zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs nicht aus“.
Beim Spaziergang durch die nachts fast menschenleere Stadt bestehe nahezu keine Infektionsgefahr und es sei „eine an den Haaren herbeigezogene Konstruktion, dass es bei der Begegnung im Treppenhaus zu einer Infektion kommen könne“, so der Jurist in seiner Klageschrift. Problematisch könnten lediglich Treffen von Jugendlichen sein, die abends oder nachts draußen mit Alkohol feiern. Doch deswegen bedürfe es keiner Ausgangssperre.
Zudem sei der vom Robert-Koch-Institut definierte Inzidenzwert „verfassungswidrig“, denn die Inzidenz sei von der jeweils verfolgten Teststrategie abhängig: „Insgesamt hängt die Zahl der dem RKI gemeldeten neuen Fälle und damit die Entwicklung der Inzidenz im Sinne des RKI von der Zahl der PCR-Tests ab.
Je mehr PCR-Tests durchgeführt werden, desto mehr positive Ergebnisse in absoluten Zahlen und auch in Relation zur Bevölkerung (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner) wird man finden. Würde man umgekehrt wesentlich weniger testen, sänke automatisch die vom RKI ermittelte Inzidenz.“ Diese Umstände würden jedoch „vom RKI in die Ermittlung der Inzidenz nicht einbezogen“. Zudem müsse in die Bewertung der Infektionsgefahr auch die Lage der Intensivstationen und der Zahl der beatmeten Patienten einbezogen werden, erklärte Murswiek.
Der SPD-Abgeordnete Florian Post will die Verfassungsbeschwerde mit seinem Anwalt einreichen, sobald das Gesetz den Bundesrat passiert hat und vom Bundespräsidenten unterschrieben worden ist. Das soll nach der bisherigen Planung am Freitag geschehen. Wie schnell die Verfassungsrichter dann urteilen werden, ist nicht klar. Florian Post will einen Eilantrag stellen.