Erich Vad ist ein ausgewiesener Kritiker der Ukraine-Politik Deutschlands, er ist demnach vorbelastet in seinen Ansichten. Dennoch hat er ein außergewöhnliches Interview gegeben – in dem er vergleichsweise ausgewogen u.a. auch eine diplomatische Strategie Russlands gegenüber fordert. Vad war früher Militärberater von Angela Merkel.
Vad fordert auch Dialogbereitschaft und vertrauensbildende Maßnahmen
Vad meint, militärische Abschreckung im Umgang mit Russland sei für Deutschland bzw. die Nato Teil einer Strategie. Dazu rechneten jedoch auch die Fähigkeit zum Dialog oder die Vertrauen-schaffenden Maßnahmen – die er aktuell offenbar vermisst – und auch Entspannungspolitik. Mithin eine Balance. Dies sei die sogenannte „Harmel-Doktrin“, nach der die Nato seit den 60er Jahren verfahre.
Aktuell halte er einen Angriff von Russland auf die Nato, sprich auf Nato-Gebiet, für unwahrscheinlich. Schon aus militärischen Gründen, denn die russischen Streitkräfte – die eingesetzt werden – wären schon jetzt zu schwach, um die gesamte Ukraine zu besetzen.
Daraus ergibt sich zwangsläufig schon, dass Russland kaum nach Westen vordringen könnte. Kritiker solcher Ansichten gehen davon aus, Russland könne sich nach Norden oder im Norden ausbreiten wollen – darauf geht Vad in dem Interview indes nicht ein.
Ziel von Wladimir Putin wäre es aber aktuell, den avisierten Beitritt der Ukraine zur Nato zu verhindern und auch zu unterbinden, dass sich westliche Truppen in der Ukraine niederließen. Es ginge Russland also darum, eine „Sicherheitszone“ zur Nato aufzubauen. Diese Strategie sei Ergebnis der Erfahrungen seit Napoleons Feldzug 1812 und aus den beiden großen Weltkriegen – mithin etwas, dass zwar nicht immer völkerrechtskonform wäre, aber verständlich im Sinne einer Berechenbarkeit. Daraus folge kurzfristig auch, dass Russland die Zugänge zum Schwarzen Meer im Griff behalten wollte. „Der Oblast Kaliningrad, die Region Murmansk und die Schwarzmeerregion mit der Krim bilden die strategischen Eckpfeiler der westlichen Verteidigung Russlands. Diese Regionen zu kontrollieren, ist existenziell für Russland, solange es Weltmacht sein will.“