Immer mehr Experten sind sich sicher und trauen sich mit ihrer Meinung in die Öffentlichkeit: Der 7-Tage-Inzidenz-Wert taugt nicht, um das tatsächliche Infektionsgeschehen festzustellen.
Zu dieser Meinung steht inzwischen auch der Tübinger Infektiologe Peter Kremsner. Er ist laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung der Ansicht, dass Schnelltests die offiziell angegebene 7-Tage-Inzidenz um bis zu 50% nach oben verzerren. Denn je mehr getestet werde, desto mehr werde die Inzidenz nach oben getrieben.
Neuer Richtwert wichtig
Der Statistiker Göran Kauermann von der Universität München fordert einen neuen Richtwert für die tatsächliche Lage einzuführen. Nach seiner Ansicht sollte lediglich die Zahl der täglich aufgenommenen Intensiv-Patienten, die an Corona erkrankt sind, festgehalten werden. Um die Dynamik des Infektionsgeschehens festzustellen, bringe es nichts, die Zahl der belegten Betten zu betrachten, sondern lediglich die Neuzugänge, so der Statistiker.
Man müsse wissen, wie viele neue Corona-Patienten täglich in Intensiv-Stationen aufgenommen werden. Dieser Wert würde nach Einschätzung der Münchner Universitäts-Statistiker die Dynamik der Pandemie am besten beschreiben.
Dazu sollten die Intensiv-Mediziner auch melden, aus welchen Regionen die Corona-Erkrankten gekommen sind. Denn wenn Münchner Kliniken viele Corona-Erkrankte aufnehmen würden, hieße das nicht zwangsläufig, dass München stark betroffen sei, denn die Kranken könnten ja auch aus umliegenden Regionen stammen, so Kauermann zur „Bild“.
Das Robert-Koch-Institut habe nach Ostern selbst den Beweis erbracht: Die gemeldeten Infektionszahlen seien nicht zuverlässig und demnach nicht zu gebrauchen. Daher sei es „hochproblematisch“, auf diesen Werten Gesetze und Verordnungen aufzubauen, so Kauermann.
Das Infektionsgeschehen hat sich nach Recherchen der Statistiker stark verändert. Die alte Bevölkerung sei größtenteils durchgeimpft und es treten kaum noch schwere Verläufe auf. Dennoch teste man nun jede Woche alle Schüler, womit man wiederum viele symptomlose Fälle entdecke, die die Inzidenzwerte wieder in die Höhe treiben und so das tatsächliche Infektionsgeschehen verzerren. Deshalb dürfe die Inzidenz-Zahl als Maßzahl nicht mehr länger herangezogen werden, fordert Kauermann.