Obwohl die Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von Staats- und Verfassungsrechtlern als verfassungswidrig eingestuft wird, hat der Bundestag am Mittwoch den von Bundeskanzlerin Merkel und ihrem Kabinett vorgebrachten Gesetzentwurf bestätigt und beschlossen.
Was Merkel als „Notbremse“ bezeichnet bedeutet bei Erreichen eines bestimmten Inzidenzwertes bundesweite Ausgangssperren, Schul- und Kitaschließungen sowie Schließungen von Geschäften und Gastronomie und weiterer Einrichtungen. Bislang oblag die Entscheidung der anzuwendenden Corona-Maßnahmen bei den Ministerpräsidenten der Bundesländer. Merkel will jedoch künftig alleine über Maßnahmen entscheiden, wenn der Inzidenzwert die Marke von 100 bzw. 165 bei Schulen überschreitet.
Im Grundgesetz ist eine derartige Entmachtung der Ministerpräsidenten – und damit die Schwächung des Föderalismus – nicht vorgesehen. Der als Koryphäe geltende Staats- und Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dietrich Murswiek hat deshalb eine Verfassungsklage vorbereitet, die bereits beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für den Fall eingereicht worden ist, dass sowohl der Bundesrat als auch der Bundespräsident der Gesetzesänderung am Freitag zustimmen sollten. Fraglich ist, ob und welche Konsequenzen die Änderung des Grundgesetzes durch die Merkel-Regierung haben wird.
Beginn ab Sonnabend oder Montag
Die sogenannte „Corona-Notbremse“ könnte bereits ab Samstag greifen. Angeblich soll das Gesetz bis zum 30. Juni 2021 befristet sein. Von einem Ende dieser Frist ist nach bisherigen Erfahrungen mit dem Handeln der Merkel-Regierung nicht auszugehen, sondern dass diese Gesetzesänderung dauerhaft werden wird, sollte dieser verfassungswidrigen Grundgesetzänderung kein Einhalt geboten werden.
Der Bundestag hatte am Freitag über die Gesetzesänderung debattiert. Zuvor hatten FDP, AfD und Linke Eilanträge gegen die Gesetzesänderung eingereicht. AfD, FDP und Linke hatten angekündigt, bei der Abstimmung dagegen zu stimmen. Die Eilanträge der „Opposition“ wurden erwartungsgemäß abgelehnt. Die FPD will nun eine Verfassungsbeschwerde auf den Weg bringen, sollten die Ausgangssperren wie geplant kommen. Die Grünen forderten Änderungen bei der Gesetzesvorlage – sie waren nicht gegen das Gesetz, sondern ihnen gingen die von Merkel & Co. geplanten Maßnahmen und Einschränkungen nicht weit genug…
Demonstration in Berlin
In Berlin haben bis zu 50.000 Menschen friedlich gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes demonstriert. Sie kamen jedoch nicht bis ins Regierungsviertel, da sowohl dies als auch das Brandenburger Tor weiträumig abgeriegelt war. Die Berliner Polizei ging wie gewohnt aggressiv und gewaltsam gegen die Demonstranten vor: Sie wurden von mehreren Seiten eingekesselt und zusammengedrängt.
Schließlich versuchte die Polizei die Demonstration gewaltsam aufzulösen, weil angeblich die Abstandsregeln nicht eingehalten worden seien. Dabei kam es zu einzelnen Verhaftungen, unter anderem auch zur Ingewahrsamnahme des AfD Politikers Heinrich Fiechtners aus dem Baden-Württembergischen Landtag. Dieser und andere Teilnehmer der Demo schätzten die Zahl der Demonstranten auf 40.000 bis 50.000.
656 Bundestagsabgeordnete haben abgestimmt. 342 stimmten für den Antrag, 250 dagegen. 64 haben sich enthalten. Auf Bitte der Bundesregierung, den Abschluss des parlamentarischen Verfahrens zu beschleunigen, wird sich der Bundesrat schon am Donnerstag mit dem Gesetz befassen, einen Tag früher als geplant.
Da die Bundesregierung die „Notbremse“ als Einspruchsgesetz vorgelegt hat, wird in der Sitzung lediglich abgefragt, ob der Vermittlungsausschuss angerufen oder ein Einspruch eingelegt wird. Damit es dazu kommt, müsste eine Mehrheit in der Länderkammer dafür stimmen. Das ist wohl kaum zu erwarten.