Es klingt wie eine Räuberpistole, ist aber ernsthaft richtig. Die Bundesregierung fördert nun zwei neue Einrichtungen, bei denen es um Einflussnahme auf das Verhalten geht. Die Einrichtungen nennen sich „Behavior Science Connect Netzwerk“ und das „Institute for Planetary Health Behaviour“. Der Hintergrund ist wohl eine WHO-Aufforderung an die Regierungen, sich gegen die „Desinformation“ in Gesundheitsfragen zu engagieren sowie die „Nachfrage nach Impfstoffen zu steigern“ (dabei geht es nicht allein und wahrscheinlich sogar eher beiläufig um Corona, d. Red.).
Gegen „gesundheitsbezogene Fehlinformationen und Desinformationen“
Die Idee soll sein, dass es gerade bei Gesundheitsfragen zu viele „Desinformationen“ gibt. Gemeint sein dürften jene Meinungsäußerungen, die z. B. Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen behauptet, von denen die WHO wiederum nicht weiß oder die sie nicht kennt bzw. deren Existenz sie widerlegen kann.
Ein Einschub dazu: Was „Desinformation“ wirklich ist, gerade in gesundheitlichen Fragen, ist nicht mit einem einfachen Verweis auf vermeintliche wissenschaftliche Erkenntnisse zu klären. Wissenschaft, anders als in den Medien oft dargestellt, ist zum einen „gesicherte Erkenntnis“ – die in aller Regel immer als vorläufig gilt – sowie die Methode, mit der Erkenntnisse systematisch gewonnen werden. Dies sind in aller Regel nicht einfache Studien oder gar Modellrechnungen, die in der Corona-Phase oft als „Wissenschaft“ bezeichnet wurden. Modelle basieren auf Annahmen hinsichtlich der Wirkzusammenhänge und modellieren einfach, indem hochgerechnet wird.
Was die Bundesregierung nun fördert, beschreibt die „Behavioural Science Connect“ selbst:
„Wir sind ein Netzwerk von Wissenschaftler*innen und möchten mehr Sozial- und Verhaltenswissenschaft in politische Maßnahmen bringen – für bessere Gesundheit für alle.(…) Das ist ein fach-, disziplin- und ressortübergreifender Ansatz. Die Vernetzung kann helfen, bei neuen Herausforderungen von bestehendem Wissen zu lernen: Was können wir beispielsweise aus dem Gesundheitsbereich für Klimaschutzverhalten lernen – und umgekehrt?“
Aha. Norbert Häring sucht dazu noch folgende Stelle heraus – die fast schon selbst erklärend ist:
„Politik und öffentliche Verwaltung stehen vor der Aufgabe, wirksame politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu setzen, die es dem Einzelnen möglichst leicht machen, seine Gesundheit und die seiner Mitmenschen zu schützen. Teilweise sind hier, wie bei der Klimakrise, tiefgreifende System- und Verhaltensänderungen notwendig. Das Netzwerk bietet daher an, diese Veränderungen evidenzbasiert zu begleiten und die Gestaltung von politischen Maßnahmen und öffentlicher Kommunikation durch Expertise und Wissenssynthese zu unterstützen.“
Wissenschaft – so weit sie tatsächlich Wissenschaft ist – im Dienste der Politik. Wissenschaft als Methode hat es stets vermieden, sich für praktische Regierungsarbeit einsetzen zu lassen.