Welche tektonischen Verschiebungen der zum Jahreswechsel endgültig vollzogene Brexit mit sich bringt, wird an vielen kleinen Details ablesbar. So wird beispielsweise der Fährverkehr zwischen der Republik Irland und dem europäischen Kontinent immer wichtiger. Irlands Europa-Minister Thomas Byrne weilte am Montag im französischen Dünkirchen, um dort ein neues Irland-Terminal einzuweihen.
Es wurde notwendig, weil sich die Zahl der direkten Fährverbindungen von Frankreich auf die Insel seit dem Bexit von zwölf auf 44 erhöht hat. Eine weitere Ausweitung der Verbindungen ist gut möglich, denn der Streit um das Nordirland-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien verschärft sich.
Experten fürchten, dass er sich bis zu einem Handelskrieg ausweiten könnte. Irlands Außenminister Simon Coveney warnte bereits davor, es könne der Punkt kommen, „an dem die EU sagen wird: genug, wir können keine weiteren Kompromisse eingehen“. In diesem Punkt besteht zwischen ihm und dem für die Brexit-Gespräche zuständigen EU-Kommissar Maroš Šefčovič Einigkeit.
Seit Monaten drängt die Regierung in London auf Änderungen bei den Ein- und Ausfuhren von der britischen Insel nach Nordirland, das faktisch noch immer zahlreichen EU-Vorschriften unterliegt, damit eine harte Landesgrenze zwischen der Republik Irland und Nordirland vermieden werden kann.
Die Briten fordern mehr Flexibilität, die EU will den Binnenmarkt nicht gefährden
Im Streit mit der EU um die Nordirland-Frage hat Großbritannien den Druck auf Brüssel unlängst erhöht. Beobachter rechnen deshalb damit, dass die Regierung in London in den kommenden Wochen Teile des Nordirland-Protokolls außer Kraft setzen könnte. Ein solcher Schritt, da sind sich die Experten einig, würde eine Deeskalation der Lage massiv erschweren.
Sollten Waren unkontrolliert nach Nordirland kommen, würde dies Irlands Stellung im Binnenmarkt infrage stellen. Im Gegenzug habe die EU keine andere Wahl, als auf eine derartige Entwicklung mit aller Macht zu antworten. Der größte Nachdruck würde dabei erzielt, wenn der komplette Handelsvertrag mit Großbritannien gekündigt würde.
Selbst wenn diese extreme Lösung am Ende nicht gewählt werden wird, so hat die EU dennoch die Möglichkeit, London mit Zöllen auf einzelne Warengruppen empfindlich zu treffen. Ein Sektor, der dabei ausgewählt werden könnte, ist die Automobilindustrie. Ihre Produktion in Großbritannien wird zur Hälfte in die EU ausgeführt.
Zusätzlich aufgeheizt wurde die Atmosphäre durch den rauen Ton, den britische Politiker seit Monaten gegenüber der EU anschlagen. Insbesondere das Verhältnis zu Frankreich ist empfindlich gestört. Dies ist nicht unerheblich, da Frankreich innerhalb der EU eine der wichtigsten Stimmen darstellt.