Der britische Premierminister Boris Johnson kann in seiner Laufbahn schon auf einige überstandene Affären und Skandale zurückblicken und gilt deshalb als ein politischer Überlebenskünstler. Doch auch für ihn könnte die Luft in den kommenden Wochen leicht zu dünn werden, denn nicht nur die meisten Briten sind mit ihm unzufrieden.
Viele Mitglieder der konservativen Partei sind es auch. Wäre am nächsten Sonntag nicht Weihnachten, sondern Parlamentswahlen, hätte die oppositionelle Labour Party gute Chancen, die stärkste Fraktion im britischen Unterhaus zu stellen.
Erst kürzlich mussten Boris Johnsons Tories in der konservativen Hochburg North Shropshire bei einer Nachwahl zum Parlament eine empfindliche Niederlage einstecken, denn in einem Wahlkreis, in dem seit mehr als einhundert Jahren die Konservativen stets den Abgeordneten gestellt hatten, gewann überraschend die Kandidatin der Liberaldemokraten.
Waren die Umfragewerte des Premierministers im ersten Halbjahr 2021 noch sehr gut, sinkt sein Stern seit dem Sommer beständig. Schuld daran sind eine Reihe von Pannen und persönlichen Verfehlungen, die weder die meisten Briten, noch seine eigenen Tories dem Premierminister noch zu verzeihen, bereit sind.
Covid19, Korruption und unerlaubte Partys
Den Anfang machten die Pannen bei der Corona-Bekämpfung. Trotz anhaltend hoher Infektionszahlen wurden die Schutzmaßnahmen beendet. Das ließ die Umfragewerte sinken. Aber erst der Versuch, einen Abgeordneten der Konservativen zu schützen, der unberechtigt Beraterhonorare angenommen hatte, brachten die Briten endgültig gegen ihren Premierminister auf.
Kurz danach wurde die Affäre mit der amerikanischen Geschäftsfrau Jennifer Arcuri bekannt. Ihr Unternehmen hatte Johnson in seiner Zeit als Londoner Bürgermeister aktiv gefördert. Da die Affäre selbst damals allerdings nicht angegeben worden war, drohen dem Premierminister nun möglicherweise sogar strafrechtliche Konsequenzen.
Auch dass beim überstürzten Abzug aus Kabul nach einer Intervention Johnsons, Hunde und Katzen, nicht aber bedrohte Afghanen in einer Privatmaschine ausgeflogen wurden, nehmen die Briten ihrem Premier übel.
Erbost reagierte die Bevölkerung auch auf Berichte, nach denen sich Mitglieder der Regierung im vergangenen Winter wiederholt nicht an die Corona-Vorschriften hielten und Kontaktbeschränkungen ignorierten, während die normale Bevölkerung damals nicht einmal kranke Familienmitglieder besuchen oder an Bestattungen im engsten Familienkreis teilnehmen konnte.
Besonders gefährlich könnten für Boris Johnson die damals gefeierten Partys werden. Er streitet die mit ihnen verbundenen Behauptungen energisch ab, was aus seiner Sicht auch unerlässlich ist, denn sollte ihm nachgewiesen werden, dass er in dieser Angelegenheit die Abgeordneten des Parlaments belogen hat, könnte er sowohl sein eigenes Unterhausmandat wie auch den Posten des Premierministers verlieren.