Nach offizieller Lesart des Kreml kämpfen im Osten der Ukraine nur Separatisten darum, von der Regierung in Kiew nicht weiter unterdrückt zu werden. Reguläre russische Soldaten sind in den abtrünnigen Provinzen angeblich nicht vor Ort. Woher die Separatisten allerdings die Waffen und die personelle Stärke hernehmen, um einer regulären Armee über Monate hinweg zu widerstehen, hat Moskau bislang noch nicht schlüssig zu erklären vermocht.
Nicht nur in westlichen Militärkreisen wird deshalb seit langem vermutet, dass in der Ostukraine auch reguläre russische Armeeeinheiten im Einsatz sind. Den Beweis dafür hat in dieser Woche ein Bezirksgericht im südrussischen Rostow am Don erbracht und damit ungewollt eines der russischen Staatsgeheimnisse gelüftet.
Verhandelt wurde in einem Korruptionsprozess gegen Oberstleutnant Gontschwarow. Der Militärarzt war für die aus Russland zur Versorgung der eigenen Truppen eingesetzten Konvois zuständig und kassierte monatlich ein Bestechungsgeld von 90.000 Rubel, umgerechnet knapp 1.078 Euro. Dafür ließ er alle zwei Wochen einen Militärkonvoi ohne administrative Scherereien passieren.
Einmal, im Herbst 2918, hatte er das nicht getan und die Ladung beanstandet, wodurch große Teile der Lieferung, die auch frisches Gemüse enthielt, im Lager verdarben und dem Nahrungsmittellieferanten ein Schaden entstand, der so groß war, dass er dem zuständigen Manager anschließend seinen Job kostete.
Regelmäßiger Nachschub für 26.000 Mann
Durch das Urteil ist bekannt, dass Konvois alle zwei Wochen 1.300 Tonnen Nahrungsmittel in die Ukraine transportieren. Die Transporte gelten als gefährlich und zur Vorsicht werden an der Grenze die Nummernschilder abgeschraubt und die Fahrer deponierten ihre Ausweise, damit ihre wahre Identität im Fall der Fälle geheim bleibt.
Die gelieferte Menge lässt bei einem kalkulierten Bedarf von 50 Kilogramm pro Person auf die Anwesenheit von 26.000 russischen Soldaten im Nachbarland schließen, falls die Lieferungen nur das russische Militärpersonal vorgesehen waren. Durch das Urteil des Gerichts in Rostow am Don wurde Oberstleutnant Gontschwarow der Korruption überführt zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Kaum war die Entscheidung publik, musste sich der Sprecher von Präsident Putin, Dmitri Peskow, in Moskau unangenehmen Fragen stellen. Er stellte die Angelegenheit als einen Fehler des Gerichts dar, denn da es keine russischen Soldaten in der Osturkraine gäbe, könnten dort auch keine Unregelmäßigkeiten geschehen sein.
Einen schwerwiegenden Fehler hat das Provinzgericht in der Tat gemacht, denn die 36 Seiten lange Urteilsbegründung wurde umgehend von Webseite des Gerichts gelöscht. Die wenigen Stunden, die sie online war, reichten allerdings aus, um die Nachricht innerhalb Russlands und auch ins Ausland zu verbreiten.