Frankreichs ehemaliger Präsident François Hollande hat sich bereits für den totalen Verzicht der Europäischen Union auf russisches Erdgas ausgesprochen, auch wenn dies für die Deutschen schmerzhaft sei. Eine Studie des Marktforschungsinstituts ICIS, die dem Handelsblatt vorliegt, lässt jedoch erkennen, dass das Gas aus Russland kurzfristig nicht ersetzt werden kann.
Das europäische Gasproblem ist derzeit vor allem ein Transportproblem. Dieser ist zu weiten Teilen auf einen Transport durch Pipelines ausgelegt. Das liegt nahe, denn die Gasinfrastruktur ist über Jahre hinweg gewachsen. Das Flüssiggas (LNG) stellt allerdings erst seit wenigen Jahren eine Alternative dar.
Selbst wenn alle vorhandenen Kapazitäten für die Anlandung von Flüssiggas in der EU vollständig ausgelastet sind, kann dennoch der europäische Gasbedarf nur zu 40 Prozent gedeckt werden. Für den Ausbau der LNG Terminals steht bis zum Beginn der nächsten Heizperiode damit nicht einmal ein halbes Jahr zur Verfügung.
Ein strenger Winter würde verheerend wirken
Deutschland wäre von einem vollständigen Verzicht auf russisches Gas besonders stark betroffen, denn das Land bezieht 40 Prozent seiner Gaseinfuhren aus Russland und verfügt selbst über kein Terminal, an dem Schiffe aus Übersee Flüssiggas anlanden und in die vorhandenen Pipelines einspeisen könnten.
Eine entscheidende Frage wird dabei die nach dem Wetter im nächsten Winter sein. Der aktuelle Winter zeichnete sich durch relativ milde Temperaturen aus. Das gilt insbesondere für den gerade zu Ende gegangenen Februar. Aber auch der Januar und der Dezember hatten nur wenige Forsttage.
Der Blick zurück auf den Februar zeigt jedoch die Gefahr. Wie ICIS ermittelt hat, wurde im Februar nur 29 Prozent des europäischen Gasbedarfs per Flüssiggas gedeckt. Weitere 21 Prozent stammten aus Russland und das bei wie gesagt sehr milden Temperaturen.
Sollte der Winter 2022/2023 ein sehr strenger Vertreter seiner Zunft werden und der Konflikt mit Russland sich bis zu seinem Beginn nicht entspannt haben, müssen sich die Deutschen auf eine Rationierung ihrer Gasversorgung einstellen.