Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte im April für das laufende Jahr noch mit einer gesamtstaatlichen Schuldenquote von neun Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gerechnet. In der Zwischenzeit schätzt sein Ministerium die Kosten der Pandemie geringer ein, denn in der neuen Haushaltsprojektion, die das Bundesfinanzministerium an die EU-Kommission übermittelt hat, wird für das laufende Jahr nur noch ein gesamtstaatliches Defizit von 7,25 Prozent erwartet. Das berichtete das Handelsblatt am Mittwoch.
Die geringere Schuldenquote wird sich auch auf den gesamten Schuldenstand etwas mildernd auswirken. Nach den neuen Berechnungen des Finanzministeriums wird die Bundesrepublik am Jahresende einen Schuldenstand von 72,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausweisen. Zuvor war das Ministerium von 74,5 Prozent ausgegangen.
Die 60-Prozent-Grenze des Maastrichter Vertrags wird damit deutlich gerissen, auch wenn in vielen Publikationen derzeit darauf hingewiesen wird, dass es um andere EU-Länder und deren Schuldenquoten noch viel schlimmer bestellt ist, weil der Durchschnitt der Schuldenstände in der Eurozone mittlerweile bei 100 Prozent liegt.
Der Weg zu ausgeglichenen Haushalten ist lang
Doch was hilft es einem Patienten mit 40 Grad Fieber, zu wissen, dass hinter der Zimmerwand auf der Intensivstation andere mit 42 Grad Fieber um ihr nacktes Überleben kämpfen? Davon wird das eigene Fieber weder besser noch lässt sich behaupten, dass der augenblickliche Zustand wirklich gesund sei.
Sehr viel Hoffnung macht an dieser Stelle auch nicht, dass die gesamtstaatliche Verschuldung bis zum Jahr 2025 wieder auf 67,25 Prozent zurückgehen soll. Der Wert liegt nicht nur immer noch deutlich über der Schuldenobergrenze des Maastrichter Vertrags, sondern auch über dem Schuldenstand von 65,7 Prozent, den Deutschland 2008 vor dem Beginn der Finanzkrise hatte.
Für das kommende Jahr wird eine höhere Neuverschuldung des Bundes erwartet. Hatte die Bundesregierung zunächst mit einem Defizit von 3,0 Prozent gerechnet, gehen die aktuellen Berechnungen von einem Defizit von 3,25 Prozent aus. Am längsten wird der Bund benötigen, um wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können. Die Länder und die Gemeinden könnten dieses Ziel bereits im Jahr 2023 erreichen.