Wie bekämpft man eine grassierende Inflation am besten. Antworten auf diese Frage geben nicht nur die ökonomischen Lehrbücher, sondern in diesen Tagen in einer Art Realexperiment auch die Türkei. Ihr Präsident Recep Tayyip Erdogan setzt sich schon seit längerer Zeit vehement dafür ein, dass hohe Inflationsraten mit noch niedrigeren Zinsen bekämpft werden.
Zwar widersprechen nahezu alle Volkswirtschaftler den Thesen des türkischen Präsidenten, doch dieser verfügt zumindest in seinem Land über genügend Macht, um seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen zur Durchsetzung zu verhelfen. Spielt die türkische Zentralbank nicht mit, wird halt ihr Direktorium ausgetauscht. Vier Präsidenten führten die türkische Notenbank deshalb seit 2019 bereits kurzzeitig an.
Politisch ging diese Strategie im zweiten Halbjahr bislang auf, volkswirtschaftlich noch nicht, denn unter ihrer neuen Führung hat die türkische Zentralbank die Leitzinsen seit September trotz steigender Inflationsraten viermal hintereinander gesenkt. An den Devisenmärkten verlor die türkische Lira daraufhin gegenüber dem US-Dollar und anderen wichtigen Währungen innerhalb von nur drei Monaten fast die Hälfte ihres Werts.
Türkische Erzeugerpreise steigen um fast 80 Prozent
Durch den Absturz der Landeswährung stieg die Inflationsrate nur noch weiter an, sodass für den Dezember bereits eine Teuerung von 36 Prozent ermittelt wurde. Das war der höchste Anstieg seit zwei Jahrzehnten. Fraglich ist allerdings, ob damit das Ende der Fahnenstange bereits erreicht ist.
Während die Zentralbank ihren Leitzins von September bis Dezember schrittweise von 19 auf 14 Prozent zurücknahm und damit die Talfahrt der Lira beschleunigte, stiegen die Erzeugerpreise türkischer Produzenten um knapp 80 Prozent. Zum Vergleich: Für den Dezember ermittelte das Statistische Bundesamt einen Anstieg der deutschen Erzeugerpreise um „nur“ 24,2 Prozent.
Ob das der Beginn einer echten Kehrtwende ist, bleibt abzuwarten, doch auf ihrer letzten Sitzung hat die türkische Zentralbank am Donnerstag zur Abwechslung mal keine weitere Zinssenkung beschlossen. Der neue türkische Finanzminister Nureddin Nebati gibt sich derweil optimistisch. Er wurde im Dezember in das Amt berufen, nachdem sein Vorgänger nicht mehr bereit war, die Niedrigzinspolitik mitzutragen.
Nebati ist wieder ganz auf Linie und gibt sich zuversichtlich. Er rechnet damit, dass die Inflationsrate bald ihren Höhepunkt erreicht und dann zurückgehen wird. Wenn im Juni 2023 die Parlamentswahlen anstehen, soll die Teuerung wieder in den einstelligen Bereich zurückgegangen sein.