Die vergangenen 18 Monate waren an den Finanzmärkten dadurch geprägt, dass eine recht große Anzahl neuer Marktteilnehmer in den Börsenhandel eingestiegen ist. Ihr Erfahrungsschatz ist naturgemäß gering, ihre Begeisterung dafür aber entsprechend hoch. Eine Konsequenz dieser Mischung waren die überraschenden Kursmuster aus dem Sommer 2020.
Während die Profis mit einer zweiten Abwärtsbewegung im Anschluss an den ersten Abverkauf im Frühjahr 2020 rechneten und entsprechend Zurückhaltung übten, griffen die privaten Anleger beherzt zu und kauften die Tiefs. Dank ihrer großen Masse ging die Strategie auf und so wurde 2020 zu einem der wenigen Börsenjahre, in denen die privaten Anleger wesentlich besser agierten als die institutionellen Investoren.
Auch in den letzten acht Wochen wiederholte sich das Geschehen. DAX, Dow Jones und die technologielastige NASDAQ-Indizes setzten seit Anfang Mai bereits dreimal zu stärkeren Korrekturen an. Doch jeder dieser Abverkäufe wurde schnell wieder gekauft. Anleger, die Vorsicht walten ließen und verkauften, sahen anschließend recht irritiert die Kurse schnell wieder steigen.
Die beste aller Welten?
Wenn scheinbar nichts mehr schiefgehen kann und selbst der kleinste Rücksetzer als eine gute Kaufgelegenheit empfunden werden, ist die Euphorie der Anleger nicht nur hoch, sondern vermutlich auch zu hoch. Bestätigt wird dieser Eindruck durch die Kredite, die aufgenommen werden, um die eigenen Börsengewinne mit Fremdkapital zu hebeln. Sie erreichten in den USA Ende Juni mit 882 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord.
Das Kreditvolumen lag damit um den Faktor zwei über den Werten des Jahres 2007, als kurz vor dem Beginn der Finanzkrise mit nicht ganz 400 Milliarden US-Dollar auf Kredit spekuliert wurde. Gegen über der New-Economy-Blase des Jahres 2000 mit Wertpapierkrediten von rund 280 Milliarden US-Dollar hat sich das Kreditvolumen sogar verdreifacht. Dies alles geschieht in dem Glauben, der Weg in die Tiefe sei den Kursen verbaut, weil das Kaufinteresse anhaltend hoch ist.
Die entscheidende Frage ist jedoch, wer denn in Zukunft noch kaufen soll, wenn die Masse der Anleger heute schon neben den eigenen Ersparnissen auch hohe Kredite im Einsatz hat. Ein Blick zurück in das Jahr 2000 oder in die Jahre der Finanzkrise zeigt jedoch, dass an der Börse zu jeder Zeit mit allem gerechnet werden muss, auch mit dem scheinbar Unmöglichen. Sollte es in den kommenden Monaten zu einem Einbruch kommen, könnte dieser durch den hohen Druck, den die Wertpapierkredite auf die Anleger ausüben, deshalb deutlich stärker ausfallen, als es viele Anleger aktuell für möglich halten.