Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine hat die Europäische Union bereits ein Embargo für Kohle aus Russland beschlossen. Es soll ab dem Sommer gelten. Nun wird eifrig darüber diskutiert, ob ihm auch ein Importstopp für russisches Öl und Erdgas folgen soll.
Das Münchener Ifo Institut sieht die EU dabei in einer Zwickmühle. Sie ist zu einem großen Teil der Tatsache geschuldet, dass kaum Zeit verbleibt, um auf die russische Aggression zu reagieren und gleichzeitig Alternativen zu den sanktionierten russischen Energieträgern zu erschließen.
„Einerseits würde mehr Zeit der EU die Möglichkeit geben, sich besser vorzubereiten, indem sie alternative Energiequellen organisiert, die Nachfrage senkt und auch die Logistik der Energieströme innerhalb der EU und in den einzelnen Ländern optimiert“, erklärte die Ifo-Forscherin, Prof. Dr. Karen Pittel. „Andererseits sollte ein Ölembargo auch nicht ewig aufgeschoben werden. Denn mehr Zeit würde es Russland erlauben, andere Abnehmer zu finden, während die Einnahmen aus der EU weiter fließen.“
Die Zeit als kritischer Faktor
Je mehr Zeit sich die EU mit ihren Entscheidungen lässt, umso besser kann sich nicht nur Russland auf die veränderte Lage vorbereiten. Auch innerhalb der EU-Staaten sinken die Anreize, sich schnell auf einen Stopp der russischen Energielieferungen vorzubereiten, wenn lange Zeit nichts passiert.
„Bei Öl gehen wir davon aus, dass ein Rückgang der russischen Lieferungen durch andere Quellen ausgeglichen werden kann. Aber dies für Kohle und Öl gleichzeitig zu ermöglichen, während Engpässe bei russischem Gas drohen, ist eine Herausforderung“, warnt Karren Pittel.
Stärker als ein Kohle-Embargo dürfte Russland ein Öl- oder Gasembargo treffen. Allerdings verliert das Schwert der Sanktionen im einen wie im anderen Fall deutlich an Schärfe, je schneller es Russland gelingt, die bisher in Europa abgesetzten Produkte in anderen Teilen der Welt zu verkaufen.
„Grundsätzlich sind hohe Energiepreise in der aktuellen Situation wichtig, da sie Verbrauchern und Unternehmen signalisieren, weniger Energie zu verbrauchen“, sagt die Leiterin des Ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. „Aber einkommensschwache Haushalte brauchen Unterstützung, um mit den besonders steigenden Energiekosten fertig zu werden.“