Finanzminister Olaf Scholz kämpft um das Kanzleramt und er tut dies in einer Art und Weise, die unmissverständlich zu verstehen gibt, was er vom Souverän hält, nämlich im Zweifelsfall nichts. Die Frage, was Olaf Scholz zu seiner Rolle als Erster Hamburger Bürgermeister vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages am 1. Juli 2020 aussagte, könnte so manchen Wähler brennend interessieren.
Sie hat den Souverän aber anscheinend nicht zu interessieren, auch wenn diesem am 26. September auf Bundesebene erneut das Wahlrecht zusteht und sich ausgerechnet Olaf Scholz um Höhere Weihen bemüht. Zumindest vertritt das von Olaf Scholz geführte Bundesfinanzministerium diese Ansicht und will die Aussage seines Chefs zur geheimen Verschlusssache erklären.
Die meisten Mitglieder des Finanzausschusses des Bundestags plädieren hingegen für eine Veröffentlichung des Protokolls der Sitzung, in der Olaf Scholz mit seiner Aussage mit dazu beitragen sollte zu klären, wie es dazu kam, dass das Hamburger Finanzamt im Jahr 2016 eine Steuerrückforderung in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren ließ.
Antwortfrist verstrichen
Verschiedene Mitglieder des Finanzausschusses bemühen sich deshalb darum, die Aussage des Bundesfinanzministers entstufen zu lassen, so der Fachausdruck für eine Veröffentlichung der Aussage. Den entsprechenden Antrag hatte Stefan Liebich, der Obmann der Linken im Finanzausschuss am 3. September bei der Vorsitzenden des Ausschusses Katja Hessel (FDP), gestellt. Sie bat das Finanzministerium, zu prüfen, ob es von Seiten des Ministeriums Einwände gegen die Entstufung gibt und setzte als Frist für die Antwort den 8. September fest.
Dieser ist inzwischen Geschichte, ohne dass das Finanzministerium abschließend geantwortet hat. Die Prüfung der Anfrage sei zeitaufwendig und rechtlich kompliziert, denn es müssten in ihre Klärung sowohl die Steuerabteilung IV als auch die für die verfassungsrechtlichen Fragestellungen zuständige Abteilung V eingebunden werden. Oder um es auf Deutsch zu sagen: Das Bundesfinanzministerium spielt auf Zeit.
Eine Veröffentlichung noch vor der Bundestagswahl wird damit von Tag zu Tag immer unwahrscheinlicher. Fraglich ist allerdings wie Fabio De Masi von den Linken zu Recht hervorhebt, warum das Bundesfinanzministerium aufwendig prüfen muss, ob Steuergeheimnisse tangiert sind, wenn korrekt ist, was Olaf Scholz beständig beteuert, nämlich dass er nicht in ein laufendes Steuerverfahren eingegriffen habe und über dieses im Ausschuss auch gar nicht gesprochen worden wäre.
Sollte Olaf Scholz jedoch eingegriffen haben, wäre dies eine Straftat. Sie könnte den SPD-Kanzlerkandidaten auch nach der Wahl noch einholen. Man stelle sich nur einmal vor, die Protokolle werden nach langem Hin und Her veröffentlicht, kurz nachdem der Bundestag Olaf Scholz zum neuen Kanzler gewählt hat und die Republik wird plötzlich von einem Mann geführt, der fürchten muss, rechtskräftig für eine von ihm begangene Straftat verurteilt zu werden. Dann hätte auch Deutschland seinen Benjamin Netanjahu.
Früher Schmiergeld, heute Parteispende?
Ein direkter Kontakt von einem führenden Vertreter der Warburg-Bank zum Bundesfinanzministerium konnte von den parlamentarischen Aufklärern inzwischen nachgewiesen werden, denn das Ministerium erklärte auf eine Anfrage der Linken, dass „Staatssekretär Dr. Kukies (…) am 2. April 2019 ein Frühstück mit Herrn Johannes Kahrs [hatte], an dem auch Herr Dr. Olearius teilnahm“.
Johannes Kahrs bekleidete zu diesem Zeitpunkt die Funktion des haushaltspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion. Er traf sich wie inzwischen bekannt ist, mehrfach mit Christian Olearius, einem der Mitinhaber der Warburg-Bank. Letztere hatte Kahrs‘ Kreisverband in Hamburg mit einer Parteispende bedacht.
Auch sonst war, nach einer Mitteilung des Bundesfinanzministeriums, der Kontakt zwischen der Warburg-Bank und der Hamburger Senatskanzlei bzw. den dortigen Finanzbehörden recht eng. Allein für den Zeitraum Februar 2020 bis Februar 2021 seien 22 Kontakte aktenkundig.