Niemand wird bestreiten, dass es zwischen der Eurozone und der Türkei in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht große Unterschiede gibt. Dennoch gibt es in der Geldpolitik eine große Gemeinsamkeit, die nicht übersehen werden sollte, denn ihre Konsequenzen sind gerade für die einfache Bevölkerung äußerst unangenehm.
Eines der größten Probleme der türkischen Zentralbank ist auch weiterhin, dass ihre Geldpolitik viel stärker im Präsidentenpalast bestimmt wird als ihr selbst lieb sein kann. Gouverneure, die für eine rechtzeitige Anhebung der Zinsen eintraten, um die grassierende Inflation im Land zu bekämpfen, enthob Präsident Recep Erdogan in der Vergangenheit ihrer Ämter.
Ersetzt wurden sie durch Nachfolger aus dem Umfeld des Präsidenten. Sie taten alles, nur nicht der irrigen Ansicht Erdogans zu widersprechen, dass eine hohe Inflation mit niedrigeren Zinsen bekämpft werden müssen. So kam, was kommen musste. Die türkische Lira verlor gegenüber dem Euro und dem US-Dollar massiv an Wert und die Inflationsraten wurden mit der Zeit zweistellig.
Fast 20 Prozent Inflationsausgleich
Der normale Weg wäre gewesen, die anziehende Inflation frühzeitig mit steigenden Zinsen zu bremsen. Auf Wunsch von Präsident Erdogan wurde diese Bremse allerdings nicht eingelegt. So sank der Außenwert der Lira immer weiter und das Leben im Land wurde nicht nur durch die höheren Importpreise immer teurer.
Inzwischen ist die türkische Inflationsrate bei 19,25 Prozent angekommen, wie das Statistikamt am Freitag mitteilte. Im Juli hatte der Wert noch bei 18,95 Prozent und im Juni bei „nur“ 17,53 Prozent gelegen. Vor diesem Hintergrund einen Anstieg über die Marke von 20 Prozent zu erwarten, ist naheliegend. Zuletzt hatte die Teuerung in der Türkei Anfang 2019 über der Marke von 20 Prozent gelegen.
Durch den jüngsten Anstieg ist die Inflationsrate nun wieder höher als der Leitzins. Attraktiv wird das Land für ausländische Investoren damit nicht, denn welcher Anleger oder Investor aus dem Ausland ist erpicht darauf, mit seinen Anlagen in der Türkei real Geld zu verlieren?
Für die Bürger der Eurozone bietet es sich in diesen Tagen allerdings an, immer mal wieder einen Blick in die Türkei zu werfen, denn hier wird seit Jahren vorexerziert, wohin es führt, wenn man einer Inflation tatenlos zusieht und aus politischen Motiven die notwendige Anhebung der Zinssätze auf die lange Bank schiebt.