In einem Land mit staatlich gelenkten Medien und einer harten Vorgabe dafür, wie man bestimmte Dinge bezeichnen darf und wie nicht, ist es nicht leicht, ehrlich und ergebnisoffen über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu reden. Deutschland war während der nationalsozialistischen Herrschaft ein Beispiel für diese Staaten.
Heute sind es Russland und China. In Russland ist die Not gerade besonders groß, denn das Land führt einen Krieg, der nicht als solcher bezeichnet werden darf, und es stellt Falschaussagen unter harte Strafen. Was eine Falschaussage ist, bestimmt allein der Staat selbst und entzieht damit jeder noch so vorsichtigen Kritik an seinen Taten und Entscheidungen das Fundament.
Die Konsequenz dieser Informationspolitik ist ein anhaltendes Schweigen. Weil keiner mehr weiß, was der andere wirklich denkt und wie gewillt er ist, eine andere Meinung neben seiner eigenen bestehen zu lassen, wird vorsichtshalber nicht mehr gesprochen. Das ist verständlich, wenn falsche Worte jahrelange Straflager nach sich ziehen können.
Der Krieg in der Ukraine spaltet inzwischen sogar die Familien
Der Riss geht nicht nur quer durch das riesige Land, sondern trennt auch Städter von der ländlichen Bevölkerung. Besonders deutlich ist er dort ausgeprägt, wo Russen mit Kontakten zum Ausland auf Russen treffen, die immer nur in ihrem eigenen Land gelebt haben und außer den Staatsmedien keinen anderen Zugang zur Welt um sie herum haben.
Für viele Russen ist es nicht nur deutlich sicherer, sich des offiziellen Sprachgebrauchs zu bedienen und den Krieg in der Ukraine beispielsweise als eine Spezialoperation zu bezeichnen. Es ist auch deutlich bequemer, denn es bewahrt davor, darüber nachdenken zu müssen, dass das, was gerade im Nachbarland vor sich geht, auch im eigenen Namen geschieht.
Wer dies dennoch tut, riskiert nicht nur seine Reputation und möglicherweise auch seine Freiheit. Auch der Frieden innerhalb der Familie ist schnell dahin und wo gestern noch miteinander gesprochen wurde herrscht heute nur noch Unverständnis und kaltes Schweigen. Dieses Schweigen überdeckt in vielen Familien einen Graben, der kaum mehr zu überwinden sein wird.
Selbst wenn Russland den Krieg in der Ukraine noch zu einem für sich guten Ende bringen sollte, wird es an diesen Langzeitfolgen der letzten Wochen noch sehr lange zu tragen haben.