Krieg in der Ukraine, Rohstoffverknappung, hohe Inflation, Angst vor Rezession – gravierende Belastungen beherrschen die Märkte und sorgen für viel Nervosität in Wirtschaft und Politik. „Der Aktienmarkt fürchtet hohe Zinsen mehr als den Ukraine-Krieg“, behaupten die Analysten einer Bank. Das sehe ich nicht so, denn die Gefahr eines langen Konflikts mit historischen Folgen wächst mit jedem Tag. Sogar über einen dritten Weltkrieg und den Einsatz von Atomwaffen durch die russischen Aggressoren wird in politischen Kreisen schon diskutiert. Stehen wir also schon vor einer Zeitenwende? Sollten also auch die Kapitalanleger umdenken?
Prominente Investmentstrategen fragen sich derzeit, ob die Stimmung vielleicht schlechter ist als die Lage. Nein, das sehe ich nicht so, das wird auch von der Aktienbörse nicht signalisiert. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im April auf niedrigem Niveau stabilisiert, lässt auch der jüngste Ifo-Geschäftsklimaindex erkennen. Dies war vor allem auf weniger pessimistische Erwartungen der Unternehmen zurückzuführen. Die aktuelle Lage bewerteten sie sogar minimal besser und damit die letzten beiden Monate deutlich stabiler als die Erwartungen. Dennoch revidieren führende Wirtschaftsinstitute die Wachstumsprognosen nach unten.
Sorgen wegen drohender Rezession
Das Wort von der nächsten Rezession macht die Runde. Die Unternehmen dagegen berichten bis jetzt von relativ soliden Gewinnen im ersten Quartal dieses Jahres, die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Was also tun? Täuschen sich die Unternehmen, deren Aufträge noch stabil sind? Die Wahrheit liegt nach Analysteneinschätzung in der Mitte zwischen solider Lage und schlechten Erwartungen. Es scheint angebracht, sich auf die neue differenziertere Welt einzustellen. Die USA sind erneut zum Zugpferd der Weltwirtschaft geworden. Und die Dynamik des amerikanischen Konsumenten ist nicht leicht zu brechen. Dennoch bleibt die weltwirtschaftliche Lage anfällig, zumal sich auch die USA nicht den Einflüssen von Inflation, steigenden Zinsen und enorm zunehmender Staatsverschuldung entzuiehen können. Aber wie wird sich China mit seinen Lockdowns weiterentwickeln?
Gold der russischen Zentralbank im Fokus
Edelmetallanalysten versuchen mittlerweile, die Einflussfaktoren der Geopolitik auch auf die Goldpreise auszuloten. Die russische Zentralbank hat den Zugang zu einem großen Teil ihrer Devisenreserven verloren, da westliche Regierungen als Reaktion auf die russischen Angriffe auf die Ukraine Vermögen eingefroren haben, heißt es. Die Devisenreserven der russischen Zentralbank wurden dadurch nutzlos, und das zu einem kritischen Zeitpunkt. Somit geriet das Gold in den Beständen der russischen Zentralbank in den Fokus, das dank der starken Käufe der letzten Jahre schätzungsweise etwas mehr als 20 Prozent ihrer Gesamtreserven ausmacht. In Anbetracht dieser Entwicklungen halten es Edelmetallexperten durchaus für möglich, dass das Einfrieren der russischen Devisenreserven die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit einer Diversifizierung in Gold lenkt. Dies könnte dann positive Auswirkungen auf die Goldnachfrage der Zentralbanken und anderer Institute und Anleger weltweit haben. Ein relativ geringer Anstieg des Anteils von Gold an den weltweiten Finanzanlagen beispielsweise auf 2 Prozent könnte zu einer Verdoppelung der Nachfrage und damit des Goldpreises führen. Auch wenn diese Szenarien spekulativ sind, so gilt es doch nicht als unwahrscheinlich, dass der Goldpreis von seinem derzeitigen Niveau aus weiter steigt.
World Gold Council: Gold hält der zunehmenden Unsicherheit stand
Der globale Goldmarkt ist solide in das Jahr 2022 gestartet. Die Nachfrage (ausschließlich des OTC-Markts) stieg im ersten Quartal dank starker ETF-Zuflüsse im Vergleich zum Vorjahr um 34 %! Dies unterstreicht den Stellenwert von Gold als sichere Anlage in geopolitisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten, so der jüngste Bericht zur Entwicklung der Goldnachfrage des World Gold Council.
Geopolitische Krisen haben die weltweite Wirtschaft schwer belastet und das Interesse der Anleger wiederbelebt. Dadurch ist der Goldpreis im März kurzzeitig auf 2.070 US-Dollar pro Unze und damit fast auf ein Allzeithoch gestiegen. Der jüngste Bericht zur Entwicklung der Goldnachfrage des World Gold Council zeigt, dass Gold-ETFs mit 269 t die stärksten vierteljährlichen Zuflüsse seit dem 3. Quartal 2020 verzeichnen konnten. Damit wurde der Nettoabfluss von 173 t im gesamten Jahr 2021 mehr als ausgeglichen, was teilweise auf den steigenden Goldpreis zurückzuführen ist. Die Nachfrage nach Goldbarren und -münzen lag bei 282 t und damit 11 % über dem Fünfjahresdurchschnitt. Dennoch haben erneute Lockdowns in China und hohe Preise in der Türkei zu einem Rückgang von 20 % gegenüber dem sehr starken 1. Quartal 2021 geführt.
Die Nettokäufe durch Zentralbanken haben sich gegenüber dem Vorquartal mehr als verdoppelt. Die staatlichen Goldreserven wurden im 1. Quartal 2022 um über 84 t aufgestockt, vornehmlich durch Länder wie Ägypten und die Türkei. Obwohl der Goldkurs im Vergleich zum 1. Quartal 2021 um 29 % zurückgegangen ist, setzen die Zentralbanken weiterhin auf die Qualitäten von Gold in unsicheren Zeiten.
Ich empfehle Ihnen dringend, den Goldpreis nicht kurzfristig zu betrachten, sondern sich mehrjährige Charts anzuschauen, um die Qualität des Edelmetalls als „Sicherheitsspeicher“ zu erkennen. Denn Gold ist das bessere Geld. Dazu ist von Bedeutung, die Preise in Dollar und Euro zu vergleichen – in unserer heimischen Weihung sieht das Bild entscheidend besser aus. Obwohl bekanntlich ein hartnäckiger Optimist, muss ich zugeben, dass meine Zuversicht in jüngster Zeit tiefere Risse bekommt – geopolitisch und weltwirtschaftlich. Deshalb macht es mehr denn je Sinn, auf Gold zu setzen, beispielsweise über Sparpläne. Vergessen Sie nicht, dass auch steigende Zinsen „nominal“ sind, denn die „Realzinsen“ (nominal abzüglich Inflation), auf die es ankommt, werden auch künftig völlig unattraktiv bleiben.