Der Streik der Gewerkschaft der Lokführer bei der Bahn geht in die nächste Runde und vielen Bahnkunden und Politikern mittlerweile kräftig auf die Nerven. Dennoch könnte die mit aller Härte geführte Auseinandersetzung nur der Vorgeschmack für eine Entwicklung sein, die sich in diesem Herbst ihre Bahn bricht: eine deutliche Verschärfung der Kämpfe um mehr Lohn und Gehalt.
Das Institut der deutschen Wirtschaft gilt als arbeitgebernah. Es hat in seinem Tarifbericht den Verlauf des ersten Halbjahrs 2021 untersucht und dabei eine deutliche Verschärfung der Auseinandersetzungen festgestellt. Die einzelnen Eskalationsstufen innerhalb eines Tarifkonflikts wie Streikdrohungen, Warnstreiks und juristische Auseinandersetzungen gehen dabei in ein Punktesystem ein.
Es weist für das erste Halbjahr einen Durchschnittswert von 8,4 Punkten aus. Zum Vergleich: Das erste Halbjahr 2020 verlief demgegenüber wesentlich harmonischer, denn im Vorjahr kletterte der Punkteindex nur auf einen Wert von 2,3 Punkten. Die IW-Experten Hagen Lesch und Luis Winter führen diese Veränderung auf eine geänderte Strategie der Gewerkschaften zurück.
Nicht nur bei der GDL ist die Streikbereitschaft hoch
Im vergangenen Jahr hatte für die Arbeitnehmervertreter die Sicherung der Arbeitsplätze in der aufkommenden Krise klar den Vorrang vor Forderungen nach mehr Lohn und Gehalt. Im zweiten Jahr der Pandemie steht nun allerdings die Lohn- und Einkommensentwicklung wieder im Mittelpunkt.
Erkennbar ist dies auch an den Forderungen, mit denen die Gewerkschaften in die Verhandlungen mit den Unternehmen ziehen. Sie lagen im ersten Halbjahr zwischen 4,0 und 5,3 Prozent bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Der Streik der GLD bei der Deutschen Bahn steht derzeit zwar im Fokus der Öffentlichkeit. In anderen Branchen ist die Streikbereitschaft allerdings ebenfalls hoch.
So dringt die IG Metall beispielsweise darauf, das die Wochenarbeitszeit in den neuen Bundesländern endlich an das Niveau im Westen angepasst wird. Flächendeckend kam es in den letzten Wochen deshalb im Osten bereits zu Warnstreiks. Zusätzlichen Druck üben die stark gestiegenen Verbraucherpreise aus.
Noch ist die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der Pandemie unsicher, was die Gewerkschaften Zurückhaltung üben lässt. Steigen die Konsumentenpreise hingegen weiter an, dürfte nach Ansicht der Forscher vom IW auch an dieser Stelle schnell ein neuer Wind wehen, sodass für das Jahr 2022 zu erwarten ist, dass die Gewerkschaften mit Lohnforderungen von sechs Prozent und mehr in die Verhandlungen einsteigen werden.