Einen so großen Kursverlust hat die türkische Lira in den letzten 20 Jahren nicht mehr erlebt: Geradezu panisch reagierten die internationalen Devisenmärkte am Dienstag auf die Forderung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Lira „wettbewerbsfähig“ zu machen.
Gemeint war damit ein schwächerer Wechselkurs der Lira zum US-Dollar aber auch zum Euro und anderen europäischen Währungen. Dieser werde, zeigte sich der Staatspräsident überzeugt, Investitionen im Land fördern und so Arbeitsplätze für die Bevölkerung sichern bzw. neue schaffen.
Die Märkte interpretierten die Forderung des türkischen Präsidenten dahin, dass der Außenwert der Lira weiter abgesenkt werden soll und erfüllten ihm den Wunsch umgehend. Innerhalb nur eines Tages sank der Außenwert der Lira zeitweilig um zehn Prozent, sodass gegenüber dem US-Dollar ein neues Rekordtief erreicht wurde.
Innerhalb eines Monats 25 Prozent Wertverlust
Auch gegenüber dem Euro verlor die Lira massiv an Wert, sodass für einen Euro 14,06 Lira bezahlt werden mussten. Ein US-Dollar kostete erstmals über zwölf Lira. Allein in diesem Monat hat die türkische Währung damit gegenüber dem US-Dollar und dem Euro rund ein Viertel ihres Werts verloren.
Der Kursverlust der Lira ist ein neuerlicher Beweis dafür, dass die internationalen Investoren die türkische Währung meiden und nicht länger in ihr investiert sein wollen. Wie das in der Türkei zu mehr Investitionen und Arbeitsplätzen führen soll, bleibt das Geheimnis ihres Präsidenten.
Statt neuer Investitionen und Jobs werden die Türken zunächst in den zweifelhaften Genuss einer noch höheren Inflation kommen, denn Waren aus dem Ausland sind durch die Erdogan-Rede schlagartig um zehn Prozent teurer geworden. Das ist nicht gerade wenig für ein Land, dessen Inflationsrate aktuell ohnehin bei knapp 20 Prozent liegt.
Mit Spartipps gegen die grassierende Inflation im Land
Politiker der Regierungspartei AKP machten unterdessen mit an Zynismus grenzende Spartipps auf sich aufmerksam. Zülfü Demirbag von der AKP riet den Türken, statt zwei Kilo Fleisch pro Monat nur noch ein halbes zu essen und auch der Konsum von Tomaten könnte von zwei Kilogramm auf zwei Stück eingeschränkt werden.
Im übrigen sei es ohnehin nicht sonderlich gesund, Gemüse außerhalb der Saison zu essen. Schon zu Beginn des Monats hatte der Energieminister, Fatih Dönmez, seinen Landsleuten geraten, die Heizungen herunter zu drehen, um Geld zu sparen.
Im Land steigt derweil der Druck auf die türkische Notenbank. Ihre Unabhängigkeit ist vielen Regierungspolitikern ein Dorn im Auge. So forderte beispielsweise Devlet Bahceli, der Chef der ultranationalistischen Partei MHP, die Erdogans Regierung mitträgt, eine Diskussion über das Ende der Unabhängigkeit der Zentralbank.
„Unabhängige Institutionen können nicht über dem Willen des Volkes stehen“, erklärte der MHP-Politiker und forderte: „Die Türkei soll frei von der Zinsbelastung sein.“ Deshalb müsse sich das Land dem Internationalen Währungsfonds und der „Zinslobby“ entgegenstellen.
Ob Devlet Bahceli angesichts dieser einladenden Worte und Gesten erwartet, dass die ausländischen Investoren nun besonders zahlreich ins Land strömen und ihr Geld eifrig in der Türkei investieren werden, ist nicht überliefert.