In einem Gespräch mit der WirtschaftsWoche hat Ian Goldin, Professor für Globalisierung und Entwicklung an der Universität Oxford und Gründer des interdisziplinären Forschungsprojekts „Oxford Martin School“ davor gewarnt, dass mittlerweile selbst kleine lokale Störungen dazu führen können, dass die Weltwirtschaft ins Stocken gerät.
Zwar hat die Globalisierung in den vergangenen 30 Jahren dazu geführt, dass Bildung, Lebenserwartung und Einkommen überall auf der Welt stark zugenommen haben, doch erkauft wurde dieser Vorteil mit dem Nachteil einer massiven Vernetzung. Sie kann heute dazu führen, dass eine Erschütterung in einem Teilbereich des Systems nicht nur dieses betrifft, sondern sich auf die gesamte Welt negativ auswirkt.
Die Corona-Pandemie hat diesen Zusammenhang allen vor Augen geführt, denn obwohl eigentlich zunächst nur der Gesundheitssektor betroffen war, hat am Ende die gesamte Weltwirtschaft massiv unter der Störung gelitten. Auch die aktuellen Probleme mit den Lieferketten zeigen, dass das Gesamtsystem seine Fähigkeit verloren hat, Störungen zu absorbieren.
Komplexer und dynamischer bedeutete auch immer fragiler
Besonders nachteilig wirkt sich an dieser Stelle die Just-in-Time-Produktion aus. Sie hat die Lagerhaltung auf ein absolutes Minimum reduziert und bringt das System schnell an seine Grenzen, wenn wichtige Nadelöhre für die Schifffahrt nicht passierbar sind wie beispielsweise der Suezkanal im Frühjahr oder wie aktuell zentrale Vorprodukte wie Halbleiter fehlen.
Dann stehen auch Bereiche still, wie die deutsche Automobilindustrie, die eigentlich mit dem Auslöser nur bedingt in Kontakt stehen. Das an sich sinnvolle Element der Kostenersparnis durch reduzierte Lagerkosten wurde allerdings zu weit getrieben, weil man es versäumt hat, ein System aufzubauen, das einigermaßen resilient gegen unerwartete Störungen ist.
Ein weiteres Problem ist die immer stärker werdende Fokussierung auf kurzfristige Ergebnisse. Angetrieben durch die Kapitalmärkte vermeiden die Konzerne Ausgaben, die ihnen kurzfristig schaden, langfristig aber nützen. Die aktuelle Krise stellt daher einen Wendepunkt dar. Entweder die Welt macht so weiter wie bisher und findet sich bald an der Klippe wieder oder sie nutzt die Pandemie als Chance zum Umdenken.