In der Ostukraine beginnt ein neuer russischer Angriff. Mit ihm flammt auch im Westen die Frage wieder auf, ob der anhaltenden russischen Aggression nun mit noch härteren Sanktionen begegnet werden muss. Im Mittelpunkt steht dabei zwangsläufig die Frage, ob Europa auch einen Boykott für Gaslieferungen aus Russland beschließen muss.
Zu dieser Frage hat Leonhard Birnbaum im Handelsblatt Stellung genommen. Er ist der Chef des deutschen Energiekonzerns E.on und sprach sich entschieden gegen einen Stopp von Gaslieferungen aus Russland aus. Er hat dabei nicht nur die deutsche Versorgung mit Erdgas im Blick, sondern auch den innereuropäischen Zusammenhalt.
„Wenn wir glauben, wir könnten die deutsche Versorgung sicherstellen, ohne uns auch gemeinsam um die anderen Staaten zu kümmern, dann wird das die EU zerreißen“, erklärte Leonhard Birnbaum dem Handelsblatt warnte damit davor, den eigenen Blick nur auf die deutschen Bedürfnisse zu richten.
Einzelne EU-Länder sind vollkommen vom russischen Gas abhängig
An den vielen Studien, die zu dieser Frage in den letzten Wochen entstanden sind, kritisiert Birnbaum den einseitigen Fokus nur auf die deutsche Situation. Wie sich die Lage in anderen EU-Ländern darstellt, gerät dabei leicht aus dem Blick. „Die Slowakei ist komplett abhängig vom russischen Gas, und Länder wie Tschechien und Österreich beziehen heute den größten Teil ihres Erdgases aus Russland“, warnte der E.on-Chef.
Seine Schlussfolgerung aus dieser Erkenntnis ist, dass das strittige Thema Gas nicht nur aus einer nationalen Perspektive heraus behandelt werden darf. Der Mangel an Gas betrifft nicht nur Deutschland oder eine Reihe von EU-Ländern, sondern die Europäische Union als Ganze. Deshalb sollten auch die nun erarbeiteten Notfallpläne auf europäischer Ebene auf einander abgestimmt werden.
Für die Kunden hatte der führende E.on-Manager keine guten Nachrichten. Sie müssen sich auch auf steigende Strompreise einrichten, denn durch den Übergang von russischem Erdgas, das günstig über Pipelines geliefert werden kann, auf das teurere Flüssiggas verteuert der Gaspreis auch den Stromrechnung, da ein großer Teil des Stroms in Gaskraftwerken erzeugt wird.
Auch der Kohlestrom wird durch den höheren Kohlepreis und die gestiegenen CO2-Abgaben teurer. „Wir pendeln uns erst mal auf einem höheren Niveau ein“, warnte Birnbaum und deutete an, dass sein Unternehmen die erhöhten Preise auch an die eigenen Kunden weitergeben müsse.