Noch vor einem halben Jahr setzte man große Hoffnungen in die Wirtschaft. Sie werde sich in allen Ländern erholen und zu einem kräftigen Aufschwung führen. Begründet wurde diese These mit einer Nachfrage, die während der Pandemie nicht angemessen befriedigt werden konnte, hohen Sparquoten und einem zurückkehrenden Optimismus der Konsumenten.
Man kann nicht behaupten, dass diese Vorhersagen nicht eingetreten wären. Im Gegenteil: Vieles, was heute zu der massiven Knappheit an Vorprodukten und Ressourcen aller Art beiträgt, hat seinen Ursprung in den zuvor genannten Faktoren. Was zu Beginn des Jahres jedoch vollkommen falsch eingeschätzt wurde war der Faktor Zeit.
Die meisten Annahmen, die getroffen wurden, basierten auf der unausgesprochenen Erwartung, dass die Pandemie zu Ende gehen werde und dann erst die Nachfrage wieder anziehen werden. Beide Elemente würden also frühestens gleichzeitig und im besten Szenario sogar nach einander eintreten, wobei dem Ende der Pandemie der zeitliche Vorrang eingeräumt wurde.
Die Nachfrage kam, bevor die Pandemie wirklich endete
Heute wissen wir, dass diese zeitlichen Annahmen falsch waren. Die Pandemie wirkt noch immer massiv nach und es ist angesichts der wieder steigenden Fallzahlen durchaus fraglich, ob sie schon als überwunden gelten kann. Unbestritten ist jedoch, dass die Nachfrage demgegenüber längst angezogen hat.
Damit gewinnt auch die Frage, wann sich die Lieferengpässe endlich wieder auflösen könnten, eine ganz andere Bedeutung. Denn solange die Pandemie noch nicht endgültig als überwunden gelten kann, wird eine steigende oder zumindest eine konstant hohe Nachfrage auf ein begrenztes Angebot treffen.
Die Probleme der Wirtschaft könnten bis weit in das Jahr 2022 anhalten
Dabei sind die Lieferketten vielen Faktoren ausgeliefert, die zuvor kaum jemand auf dem Radar hatte. Ein Beispiel aus dem Seehandel zeigt, was gemeint ist: In der Pandemie saßen viele Seeleute plötzlich auf ihren Schiffen fest. Sie konnten weder normal arbeiten noch nach Hause zu ihren Familien fahren.
Ihre negativen Erfahrungen wirken bis heute nach, denn wer hat schon Lust, auf einem Schiff anzuheuern, wenn die nächste Quarantäne nur eine Frage der Zeit zu sein scheint? So bleiben viele Seeleute auch heute noch lieber zu Hause als ihrem angespannten Beruf nachzugehen und so wie ihnen geht es vielen anderen Berufstätigen.
Eine dauerhafte Entspannung der Situation dürfte deshalb erst dann eintreten, wenn die Corona-Pandemie wirklich überwunden ist – und das kann noch dauern.