Jetzt steht es fest: Die Inflation steigt weitaus höher als von prominenten Experten vorhergesagt. Und sie wird unsere Volkwirtschaft nicht nur vorübergehend belasten. Die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine haben den Teuerungstrend noch verstärkt.
Dabei geht es nicht einmal um die oft beobachtete Lohn-Preis-Spirale (wenn sich Löhne und Preise gegenseitig hochschaukeln), sondern vor allem um die weitreichenden Störungen des Welthandels, die bereits in der frühen Pandemie-Phase ihren Anfang nahmen.
Jetzt wecken der Bruch von Lieferketten und die empfindliche Verknappung von Energieträgern, anderen Rohstoffen und industriellen Vorprodukten mit jedem Tag größere Sorgen. Auch die breite Bevölkerung reagiert ängstlich auf die teilweise steil steigenden Preise.
Die schrecklichen Bilder vom Krieg in Osteuropa führen bereits zu einer ersten Welle von Hamsterkäufen, aber auch zu Veränderungen im Geldmanagement der privaten Haushalte. Fatal wäre es, wenn dazu die noch in der Entwicklung stehenden Aktienkultur in Deutschland inflationsbedingt leiden würde – vor allem in Verbindung mit einer Rezession. Aktuelle Zahlen deuten den negativen Trend bereits an.
Aktionärszahlen 2021 noch auf hohem Niveau stabilisiert
Zur Erinnerung: 2021 waren in Deutschland knapp 12,1 Millionen Menschen in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierte ETFs investiert. Das ist rund jeder sechste Mitbürger über 14 Jahren und der dritthöchste Stand seit Beginn der Erhebung im Jahr 1997.
Trotz eines leichten Rückgangs um 280.000 Anlegerinnen und Anleger entspricht das in etwa dem Niveau des Vorjahres. Nach dem starken Anstieg im Jahr 2020 haben sich die Aktionärszahlen damit auf hohem Niveau stabilisiert. Das Vertrauen in Aktien bleibt ungebrochen – 2021 war ein gutes Jahr für die Aktienkultur in Deutschland. Das haben diverse Studien bestätigt.
Jetzt kommen die Umfragen zu Ergebnissen mit anderen Vorzeichen: Laut einer DIVA-Studie fühlen sich Geringverdiener bei aktienbasierten Geldanlagen oft auf sich allein gestellt. Trotz Interesse fehlen die Mittel für aktienbasierte Geldanlage und Vorsorge. Auch zeigen Filialschließungen der Banken Wirkung. Deshalb wird Beratung durch Vermittler wird immer wichtiger.
Altersvorsorge muss gestärkt werden
Die Altersvorsorge in Deutschland muss gestärkt werden. So weist der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung bei allen drei Säulen auf neue aktienbasierte Lösungen hin. Und die Europäische Kommission beschäftigt sich im Rahmen der sogenannten Kleinanlegerstrategie mit der Frage, wie für Privatkunden der Zugang zu renditestärkeren Geldanlagen verbessert werden kann.
Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hat vor diesem Hintergrund untersucht, wie die Bevölkerung zum Aktiensparen steht. Im Fokus dabei: Geringverdiener, also Haushalte mit vergleichsweise niedrigen Einkommen von weniger als 1.800 Euro netto pro Monat.
Diese Bevölkerungsgruppe, rund 30 Prozent aller Haushalte, ist wegen niedriger gesetzlicher Rentenansprüche besonders auf ergänzende Vorsorge angewiesen. Die repräsentative Studie zeigt: Gerade einmal 15,2 Prozent der Geringverdiener verfügen über aktienbasierte Geldanlagen – deutlich weniger als Durchschnittsverdiener (33,1 %) und Besserverdiener (51,7 %).
Mehr als die Hälfte der Geringverdiener (52,1 %) gibt an, nicht genügend Geld zur Verfügung zu haben. Zudem halten 69 Prozent der befragten Geringverdiener aktienbasiertes Sparen für unattraktiv. Das fehlende Interesse an aktienbasierten Anlageformen ist zumindest zu einem größeren Teil eine Folge fehlender Mittel.
Dass auch bei Geringverdienern durchaus Kenntnisse zu makroökonomischen Zusammenhängen und zur Geldanlage vorhanden sind, zeigen die bevorzugten Mittel im Umgang mit der Inflation – denn auch diese Einkommensgruppe denkt zuerst an aktienbasierte Anlagen. Für 35,6 Prozent sind diese der beste Inflationsschutz noch vor Immobilien und Edelmetallen.
Interessant: Diejenigen befragten Geringverdiener, die mit Aktien sparen, bescheinigen sich selbst mit 84 Prozent „sehr gute“ oder „eher gute“ fachliche Kenntnisse zur aktienbasierten Geldanlage. Mit 62 Prozent verzichten unter den geringverdienenden Anlegern etwas mehr Menschen auf Beratung im Vergleich zu den anderen Einkommensklassen.
Die leichtgeringere Inanspruchnahme von Beratung bei Geringverdienern dürfte durchaus an den massenhaften Schließungen von Bank- und Sparkassenfilialen liegen. Natürlich waren es in der Vergangenheit in erster Linie die Banken, die auch Kleinkunden auf Möglichkeiten der Geldanlage angesprochen haben. Mit den Filialschließungen verlieren Menschen in den unteren Einkommensschichten den traditionellen, leichten Zugang zur Beratung und sind mehr denn je auf sich allein gestellt.
Kriegsfolgen sorgen für Inflationssprung
Die deutsche Inflationsrate ist im März auf 7,3 Prozent (!) gesprungen – das ist der höchste Stand seit 1981. Die für die europäische Geldpolitik relevante Veränderungsrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex stieg von 5,5 auf 7,6 Prozent. Das ist die höchste gemessene Preissteigerungsrate seit Beginn der Berechnung im Jahr 1996.
Der Ukraine-Krieg hat die Energiekosten für die deutschen Verbraucher weiter stark anziehen lassen. Auch Nahrungsmittel verteuerten sich deutlich. Ein Ende des Krieges ist derzeit nicht absehbar. Hohe Inflationsraten werden wir deswegen auch in den kommenden Monaten sehen, befürchtet auch die DZ Bank. Ein drohender Liefer- oder Importstopp russischer Energie sorgt weiterhin für Volatilität und Preisdruck bei Öl und Gas.
Die ausgerufene Frühwarnstufe im Notfallplan für die Gasversorgung verdeutlicht, wie ernst die Lage ist. Zudem bleibt die globale Lieferproblematik durch die Sanktionen und kriegsbedingten Handelseinschränkungen ein akutes Thema. Ein weiterer Bremsklotz für die Lieferketten ist zudem Chinas Null-Covid-Politik – Lockdowns von ganzen Städten können immer wieder vorkommen. Die Diskussionen über höhere Löhne dürften somit neue Nahrung erhalten.
Frühindikator für Rezession in den USA?
Die Zinsstrukturkurve ist in den USA zuletzt merklich flacher geworden. Die Differenz zwischen der laufenden Rendite zehnjähriger und zweijähriger Staatsanleihen fiel im gestrigen Handel auf weniger als 0,1 Prozentpunkte. Marktteilnehmer beobachten diesen Wert sehr aufmerksam. Denn jeder der vergangenen zehn Rezessionen, sogar der Covid-Rezession, ging eine Invertierung der Zinsstrukturkurve voraus. Eine solche liegt vor, wenn die Rendite zweijähriger Treasuries die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen übersteigt.
Da die Zinsstrukturkurve in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt nur zweimal ein falsch-positives Signal gegeben hat, gilt sie als verlässlicher Rezessionsindikator. Allerdings gibt eine invertierte Zinskurve keine Auskunft darüber, wann der Abschwung eintritt. Die vergangenen zehn Rezessionen folgten im Schnitt erst 19 Monate nach der initialen Invertierung.
In dieser Zeit legte der S&P 500 im Schnitt 5 Prozent zu, seit den 1980er Jahren sogar durchschnittlich 13 Prozent. Deshalb empfiehlt die Deutsche Bank: Entsprechend sollten Anleger eine Invertierung der Zinsstrukturkurve nicht als Verkaufssignal werten, sondern vorerst investiert bleiben.