Kurzfristig gibt es kaum Hoffnung. An den Finanzmärkten zeichnet sich keine Stimmungsbesserung ab. Auch in den nächsten Tagen stehen Kriegs- und Krisenfolgen im Mittelpunkt, sorgen Inflation und Energiekrise für Kopfzerbrechen, werden drohende Pandemiewellen kontrovers diskutiert. Das lässt Weitsicht kaum zu. Dabei gibt es auch gute Nachrichten für die betont langfristige Kapitalanlage.
Nach der Baisse ist vor der Hausse – Sie sollten diese simple Erkenntnis nicht vernachlässigen, geschätzte Anleger. Sie löst aber nicht den grundsätzlichen Strategiestreit zwischen Trendfolgern und Antizyklikern. Aktuell grübeln kurz- bis mittelfristig denkende Aktienfans, ob sie ihr Depot vorsichtshalber weiter reduzieren (oder ganz abbauen) sollten – umgekehrt, ob jetzt der Zeitpunkt für neue Engagements angesagt ist. Eine zuverlässige Antwort kann es darauf nicht geben. Wirklich reizvoll erscheint die Börse lediglich für Stockpicker, Trader und Spekulanten, die auf Wertsteigerungen innerhalb von Monaten aus sind.
Die Pläne der Bundesregierung
Aktien sind von Hause aus aber langfristige Instrumente. Und was viel zu selten unterstrichen wird: Sie sind transparent und sehr mobil, werden börslich (und damit überwacht) gehandelt. Außerdem gibt es vielfältige Instrumente für die Aktienanlage, so dass unterschiedliche Interessenten die Auswahl haben. Endlich (!) ist auch die Bundesregierung bereit, den volkswirtschaftlichen Wert der Beteiligung am Produktivkapital der Wirtschaft anzuerkennen. Vergangene Woche wurde in Berlin – leider öffentlich wenig beachtet – ein entsprechender Plan vorgestellt. Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann wollen mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket Aktien in Deutschland attraktiver machen. „Wir wollen eine Aktienkultur in Deutschland stärken“, sagte Lindner. „Wertpapiere sind nicht etwas für Millionäre, Wertpapiere sind etwas für Millionen.“ Dazu müssten aber die Rahmenbedingungen verbessert werden. Die FDP-Minister legten Eckpunkte für eine Modernisierung des Kapitalmarkts vor. Diese sind aber innerhalb der Bundesregierung noch nicht geeint. Ziel ist eine Umsetzung im kommenden Jahr.
Steuererleichterungen vorgesehen
Konkret planen Lindner und Buschmann, dass junge Start-Up-Firmen leichter Zugang zu Kapital bekommen sollen. Die steuerlichen Rahmenbedingungen für eine stärkere Teilhabe der Arbeitnehmer am Erfolg ihres Unternehmens sollen verbessert werden. Der Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen soll von derzeit 1.440 Euro auf 5.000 Euro erhöht werden. Auch die Arbeitnehmer-Sparzulage bei der Anlage vermögenswirksamer Leistungen in Vermögensbeteiligungen soll erhöht werden. Die Aktien- und Vermögensanlage soll steuerlich attraktiver gemacht werden.
Die Politiker betonten, Deutschland stehe vor der gewaltigen Aufgabe, den digitalen Wandel und die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu gestalten. Dies könne nur gelingen, wenn neben den umfangreichen öffentlichen Mitteln, die der Staat bereitstelle, auch ausreichend privates Kapital mobilisiert werden könne. Dafür müsse der den Kapitalmarkt leistungsfähiger aufgestellt und der deutsche Finanzstandort attraktiver werden. „Der Kapitalmarkt ist der Motor der Veränderung“, sagte Lindner. Die Eckpunkte sehen auch vor, dass die Möglichkeit von Aktienemissionen als elektronische Wertpapiere geschaffen werden soll. „Das digitale Zeitalter werden wir künftig auch für Aktien anbrechen lassen“, sagte Buschmann.
Beifall vom Deutschen Aktieninstitut
Deutschlands Aktienförderer (mich eingeschlossen) können jubeln – insbesondere das Deutsche Aktieninstitut. Spontaner Kommentar der DAI-Chefin Christine Bortenlänger: „Wir begrüßen, dass Aktien für alle interessanter werden sollen. Ziel ist es, mehr Menschen durch bessere steuerliche Bedingungen für die Aktienanlage zu gewinnen. Gleichrangig ist das Ziel, dass mehr Unternehmen in Deutschland von den Vorteilen der Aktie in der Finanzierung profitieren.“
Insbesondere begrüßt das Aktieninstitut den Vorschlag, Kursgewinne von Privatanlegern bis zu einem Freibetrag wieder steuerfrei zu stellen. Dies trägt wesentlich dazu bei, den Aktienbesitz attraktiver zu machen. Das gilt auch für die Erhöhung des steuerfreien Betrags bei Mitarbeiteraktien von 1.440 Euro auf 5.000 Euro, mit dem Deutschland zu Ländern wie Großbritannien oder Österreich aufschließt. Darüber hinaus haben die Minister bei der Vorstellung des Papiers deutlich gemacht, dass Aktien in der Altersvorsorge auch die Bereitstellung von Aktien- und Wagniskapital für Wachstumsunternehmen fördern. So zeigen Länder wie die USA oder Schweden, dass Pensionsfonds eine große Rolle bei der Finanzierung von Wachstumsunternehmen spielen. Dies gilt nicht nur für Aktien, sondern auch für vorbörsliche Finanzierungsrunden mit Wagniskapital.
Aktienrecht in Deutschland modernisieren
Die Entbürokratisierung der Kapitalmarktregulierung soll den Börsengang und die Börsennotiz erleichtern und damit vor allem die Finanzierung von Start-ups, KMUs und Wachstumsunternehmen verbessern. Als weiteren Punkt haben sich beide Ministerien die Modernisierung des Aktienrechts auf die Fahnen geschrieben. Das Aktienrecht soll digitaler, flexibler und internationaler werden. Die Politik hat die Zeichen der Zeit erkannt. „Wir müssen unseren Unternehmen dringend mehr Kapital zur Verfügung stellen, damit sie Lösungen zur Bewältigung von Herausforderungen wie der Digitalisierung und des Klimawandels finden können. Dafür ist es wichtig, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Aktienrente umgesetzt wird und mit dem Aufbau eines Kapitalstocks in der Rentenversicherung begonnen wird“, unterstreicht Bortenlänger
Ich halte dieses Maßnahmenpaket für geeignet, die Aktie unter den Anlagealternativen stark aufzuwerten. Die geplanten Maßnahmen werden rasch zu einem größeren Wertpapierangebot führen und das Anlegerinteresse verstärken. Die deutsche Aktie – und unser Aktienmarkt als Ganzes – wird größere internationale Beachtung finden. Letztlich wird sich all das auch auf die Kursentwicklung günstig auswirken. Entscheidend ist zunächst einmal die Hoffnung, dass der Plan auch umgesetzt wird – bald!