Wenn die hohe Inflation im nächsten Jahr nicht so schnell wieder zurückgeht, wie sie in diesem Jahr gekommen ist, hat die Europäische Zentralbank ein nicht zu unterschätzendes Problem, denn dann wackelt nicht nur ihr bislang gebetsmühlenartig wiederholtes Narrativ, die hohe Inflation sei nur ein vorübergehendes Problem, sondern es droht auch, die eigene Glaubwürdigkeit langfristig Schaden zu nehmen.
Dieser Aspekt sollte in seiner Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden, denn das moderne Fiat-Money-Papiergeld basiert letztlich nur auf dem Vertrauen, das die Geldbenutzer der Zentralbank entgegenbringen. Zwar gibt es auch Devisen- und Goldreserven, doch diese sind im Verhältnis zur massiv aufgeblähten Geldmenge inzwischen so gering, dass sie als Stütze und Anker nicht mehr ausreichen.
In den USA hat die Federal Reserve Bank in der Zwischenzeit eingeräumt, dass die Inflation nicht so vorübergehend ist, wie zunächst angenommen. Es wurden auch bereits für die Jahre 2022 und 2023 insgesamt sechs Zinsschritte angekündigt, sodass der US-Leitzins in 24 Monaten im Bereich von 1,50 Prozent stehen könnte.
Verbale Hintertürchen werden vorsichtig geöffnet
Ob dies ausreichen wird, um eine Inflation, die in den USA inzwischen schon die Marke von sechs Prozent erreicht und überschritten hat, wirklich einfangen kann, bleibt abzuwarten. Die US-Notenbank scheint aber immerhin zu ersten Schritten bereit, die EZB nicht. Oder vielleicht sollte man besser formulieren noch nicht, denn kurz vor den Feiertagen waren erste Stimmen zu hören, die von einem vorsichtigen Umschwenken der Europäischen Zentralbank künden könnten.
Eine dieser Stimmen ist Isabel Schnabel. Sie ist EZB-Direktoriumsmitglied und erklärte am Mittwoch in einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Le Monde“: „Wir wissen, dass die Inflation eine gewisse Zeit lang hoch sein wird, aber auch, dass sie im Laufe des nächsten Jahres zurückgehen wird. Weniger sicher sind wir uns darüber, wie schnell und wie stark der Rückgang sein wird.“
Das klingt schon deutlich vorsichtiger als die bisherigen offiziellen EZB-Ansagen. Geradezu in den Ohren klingeln sollte es den Sparern in der Eurozone, wenn gemahnt wird: „Wir sollten einen Risikomanagement-Ansatz verfolgen, damit wir schnell reagieren können, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation dauerhaft über unserem Zwei-Prozent-Ziel liegt.“
Vertrauen Sie noch auf die EZB oder nur noch auf reale Werte?
Das klingt gar nicht mehr danach, dass die Erwartung der EZB, die Inflationsrate in der Eurozone werde im Jahr 2022 bei 3,2 Prozent liegen und im Jahr 2023 auf 1,8 Prozent zurückgehen, in Stein gemeißelt ist.
Vielleicht sollte der eine oder andere Sparer sich zu Weihnachten selbst beschenken und seine auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto gebunkerten Euros zumindest teilweise in wertbeständige Anlagen wie Gold und Silber oder in renditestärkere Assets wie Aktien und Immobilien umschichten?
Das alles nur für den Fall, dass die Inflation nicht vorübergehend ist, sondern gekommen ist, um zu bleiben.