Eine gute Work-Life-Balance zu haben, gilt vielen Menschen heute als besonders erstrebenswert. Neu ist dieses Phänomen nicht wie vor allem ein Blick in das 19. Jahrhundert offenbart, das die Historikerin Eva Ochs von der Fernuniversität Hagen in dieser Hinsicht eingehender untersucht hat.
Modern ist eigentlich nur die strenge Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit. Sie kannte das Mittelalter beispielsweise nicht, weil diese harte Unterscheidung zwischen Zeiten der Pflicht und Stunden der Muße erst mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert aufkam und in das öffentliche Bewusstsein drang.
Das späte Mittelalter konnte sich deshalb den blauen Montag leisten. Der Meister ging mit seinen Gesellen das für die neue Woche benötigte Material einkaufen und anschließend wurde an diesem Tag nur mit halber Kraft gearbeitet. Drei Wochen Ferien am Stück kannte der mittelalterliche Handwerker auch nicht.
Dafür wurden die Arbeitswochen im Jahresverlauf immer wieder durch die zahlreichen kirchlichen Feiertage unterbrochen. Während heute nur noch die wichtigsten Feiertage wie Weihnachten und Ostern allgemein frei sind, wurde damals auch an bestimmten Heiligengedenktagen nicht oder nur halbtags gearbeitet.
Endstation Sanatorium
Das 19. Jahrhundert brachte mit der industriellen Revolution eine gravierende Veränderung für den Arbeitsprozess. Gleichzeitig veränderte sich auch gesellschaftlich einiges. Das Bürgertum emanzipierte sich vom Adel und definierte sich nicht nur über vererbten Grundbesitz und Titel, sondern über die eigene Arbeit und die selbst aufgebauten Firmen.
Gearbeitet wurde bis zur Erschöpfung. Die Vorstellung, dass sich ein Arbeitgeber auch um die Gesundheit seiner Mitarbeiter sorgen müsse, gab es damals nicht. Nicht nur die ärmeren Schichten arbeiteten bis es nicht mehr ging. Auch die Gründergeneration stand unter einem erheblichen Druck.
Ein intensives Privatleben hatte Werner von Siemens, der Gründer der heutigen Siemens AG, beispielsweise nicht. Auch um seine Kinder musste sich ausschließlich seine Frau Mathilde kümmern. Wodurch ständige Konflikte vorprogrammiert waren, denn selbst der beste Hauslehrer kann den Kindern den eigenen Vater auf Dauer nicht ersetzen.
Drohte die eigene Kraft zu versiegen, wurde mit Bäder- und Kuraufenthalten gegengesteuert. Spaziergänge galten als Naturerlebnis und Erholung und so wie heute rangen viele eher erfolglos um ein angemessenes Verhältnis von Freizeit und Arbeit. Am Ende waren die Kräfte so verbraucht, dass das Sanatorium die Endstation war oder die eigene Pensionierung nicht allzu lange überlebt wurde.