Eine brisante Entscheidung hat das Oberlandesgericht München im Fall Wirecard getroffen. Befasst mit der Frage, ob das Landgericht München in den verhandelten Fällen korrekt entschieden habe, gab das OLG einen „vorläufigen Hinweis“. Er lässt nach einem Bericht der WirtschaftsWoche erkennen, dass die Richter die Entscheidung der ersten Instanz durchaus kritisch sehen.
Besonders unangenehm ist der Hinweis für die Wirtschaftsprüfer von EY. Sie hatten die gefälschten Wirecard-Bilanzen testiert, worauf getäuschte Anleger versucht hatten, EY für ihre Verluste in Haftung zu nehmen. Das Landgericht München hatte die Klagen auf Entschädigung jedoch ausnahmslos abgewiesen.
An dieser Entscheidung hat das OLG München nun gravierende Zweifel geäußert, denn anders als das Landgericht, das keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den von EY erteilten Testaten für die Bilanzen und den Kursverlusten der Anleger sah und auch keine Pflichtverletzung der Prüfer erkennen konnte, ist das OLG der Ansicht, dass das Landgericht diesen Sachverhalt sehr viel genauer hätten prüfen müssen.
Hoffnung für die geprellten Anleger
In Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs gehen die Richter vom OLG davon aus, dass es nicht entscheidend ist, ob ein Anleger den Prüfbericht eines Wirtschaftsprüfers gelesen und gekannt habe. Entscheidend sei, dass das Vorliegen des Testats positiv auf die Stimmung zum Kauf der Aktie gewirkt habe.
Eine direkte Haftung von EY ist damit noch nicht begründet, denn das OLG hebt hervor, dass auch die Kläger es bislang unterlassen hätten, darzulegen, dass sie durch die Testate zum Kauf der Aktie animiert worden seien. Ein solcher Nachweis könnte zum Beispiel dadurch erbracht werden, dass der Kursverlauf unmittelbar vor und nach den Testaten auf die Frage hin untersucht wird, ob das Testat förderlich für die Stimmung der Anleger gewesen sei.
Kritisiert wurde vom OLG München auch, dass das Landgericht die Ergebnisse des Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Nachteil der klagenden Anleger ignoriert habe. Daher wird der ersten Instanz empfohlen, angesichts der Vielzahl der noch anhängigen Verfahren ein Musterverfahren zu eröffnen.