Hallo allerseits!
Es stehen gigantische Beträge im Raum – für die Bekämpfung von Corona und Armut, Klima- und Umweltschutz, disruptive Technologien. Schon jetzt wächst die Staatsverschuldung in atemberaubende Höhen. Mit „Welt im Wandel“ werden die Mega-Herausforderungen von heute und morgen gerne komprimiert. Es geht bei der Umsetzung aber nicht allein um den weltweiten Einsatz von enormen Kapitalbeträgen. Mehr denn je sind jetzt auch massive Investitionen in Humankapital gefordert, also in Bildung und Ausbildung.
So ist keine Übertreibung, was Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich betonte: Sie sieht die Notwendigkeit, in den kommenden Jahren immense Gelder in Deutschland und der EU zu investieren. Dabei seien sowohl Unternehmen als auch der Staat in der Pflicht. „Wir werden in den nächsten Jahren gigantische Summen ausgeben müssen“, sagte sie und mahnte mehr Firmeninvestitionen im Hightech-Bereich an.
Erneuerbar, elektrisch, digital: Die vierte industrielle Revolution – das klingt wie ein Motto für den Wandel in Ökonomie und Ökologie, in Gesellschaft und Politik. Nicht alles ist neu, aber die Veränderung beschleunigt sich. Nachhaltigkeit ist kein hohles Schlagwort mehr. Und das Kürzel „ESG“ durchdringt immer mehr Unternehmen und Finanzinstitute, taucht fast börsentäglich im Zusammenhang mit neuen Anlageprodukten (insbesondere Investmentfonds und ETFs) auf.
Investitionsboom mit positivem Vorzeichen
„Wir treten nun in ein Jahrzehnt des transformativen Wandels ein. Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beschleunigt sich zusehends. In unseren Augen ist die Dekarbonisierung ein generationenübergreifender Investitionstrend, der tiefgreifende Auswirkungen auf fast alle Wirtschaftsbereiche haben wird“, analysiert Hamish Chamberlayne von Janus Henderson Investors. Kohlenstoffarmes Investieren bedeutet viel mehr als nur in Unternehmen mit erneuerbaren Energien zu investieren und die mit fossilen Brennstoffen aus einem Portfolio zu entfernen.
Beim diesjährigen Leaders Summit on Climate sind die einflussreichsten Regierungen der Welt ehrgeizige Verpflichtungen eingegangen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Glücklicherweise herrscht heutzutage eine viel größere politische Harmonie bei der Klima-Agenda. Die Sterne stehen günstig für das, was man für einen global synchronisierten Investitionsboom in saubere Technologien halten kann.
Elektrifizierung von Autos ein populäres Thema
Die Elektrifizierung der globalen Automobilflotte (man könnte das auf Fahrzeuge insgesamt ausweiten) ist ein Bereich, der Analysten besonders begeistert. Hier verbessert sich die Batterie- und Computertechnologie immer weiter und die damit verbundenen Kosten sinken. Eine Massenproduktion mit verbreitetem Einsatz von Elektrofahrzeugen rückt schon näher. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Elektrifizierung und die Digitalisierung untrennbar miteinander verbunden sind. Mit der fortschreitenden Elektrifizierung wird alles „intelligent“ und vernetzt. Damit verschwimmen auch die Grenzen zwischen Sektoren und Branchen.
In Humankapital investieren
Parallel dazu stellen andere Vordenker eine andere globale Aufgabe heraus: „Angesichts langfristiger Trends wie der Alterung der Bevölkerung und des schnelleren Technologiefortschritts ist es unabdingbar, in Humankapital zu investieren – ein neuer Megatrend“, sagt Aymeric Gastaldi, Fondsmanager bei Edmond de Rothschild Asset Management. Ich teile seine Ansicht, dass aus sozialer Sicht eine solche Reaktion auf die vordringlichen gesellschaftlichen Herausforderungen angesagt ist. Bekämpfung von Ungleichheit, Technologie für alle und die entsprechende Anpassung des Arbeitsumfelds erreicht man nur, indem man Mitarbeiter nachhaltig weiterbildet und schützt.“ Gastaldi ist überzeugt: „Schwellenländer legen großen Wert auf Bildung, weil sie so zum Lebensstandard der Industrieländer aufschließen können. In den Industrieländern gilt Bildung als wichtige Waffe gegen Armut und Ungleichheit.
Laut OECD kann „die Qualität der Bildung ein guter Indikator für die wirtschaftliche Zukunft eines Landes sein“. Hinzu kommt laut einer Studie von Dell Technologies und dem Institute for the Future, dass es 85 Prozent der Stellen im Jahr 2030 heute noch gar nicht gibt.
Der Unterschied zwischen Volkswirtschaften und Aktienmärkten
Die modernen Mega-Trends sind inzwischen alltäglicher Gegenstand analytischer Betrachtungen. Müssen sich Privatanleger deshalb völlig umstellen? Nein, aber darauf einstellen (falls noch nicht geschehen). Globalisierte Ertragsströme sind einer der Gründe, warum Anleger zwischen der Wirtschaft eines Landes und seinem Aktienmarkt unterscheiden sollten. Eine der wichtigen Lektionen im ersten Corona-Jahr 2020 ist, dass sich beide in entgegengesetzte Richtungen bewegen können. Obwohl die nationalen Aktienmärkte oft als Barometer für die wirtschaftliche Gesundheit ihrer Länder angeführt werden, sind sie doch nur eine Ansammlung sehr spezifischer Unternehmen, die von einer Vielzahl von Kräften beeinflusst werden – makro- und mikroökonomisch, national und global.
Dies gilt insbesondere für die europäischen Aktienmärkte. Unternehmen aus den Niederlanden, der Schweiz, Irland, Dänemark, Frankreich, Finnland, Schweden, Deutschland, Großbritannien und Belgien erzielen 70 % oder mehr ihrer Umsätze im Ausland. Der Morningstar France Index zum Beispiel kann kaum mit der französischen Wirtschaft gleichgesetzt werden. Der Luxusgüterhersteller LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton (MC) ist das größte börsennotierte Unternehmen Frankreichs und erwirtschaftet mehr als ein Drittel seines Umsatzes in Asien und etwa ein Viertel in den USA. Die am stärksten binnenwirtschaftlich orientierten Aktienmärkte der Welt gehören zu bevölkerungsreichen Schwellenländern: Ägypten, Pakistan, Indonesien und China. Eine Ausnahme bildet Indien, das aufgrund von IT-Dienstleistern wie Infosys und Tata Consultancy Services, die einen Großteil ihres Umsatzes in den USA und Europa erwirtschaften, weitaus globaler ist als China und andere.
Globalisierte Ertragsströme werden von einigen als Argument angeführt, internationale Anlagen zu meiden. Hier stellt sich die Frage: Wenn einheimische Unternehmen rund um den Globus Geschäfte machen, ist das dann keine geografische Diversifizierung? Die globale Verflechtung hat sicherlich zu höheren Korrelationen zwischen den Aktienmärkten weltweit beigetragen, stellt Morningstar in einer Analyse fest.
Anleger, die stark auf das Heimatland ausgerichtet sind, schränken jedoch ihre Möglichkeiten ein und lassen sich möglicherweise großartige Anlagechancen entgehen. Zum Beispiel verpasst ein in den USA ansässiger Anleger, der die dänische Novo-Nordisk-Aktie (sie gehört übrigens zu meinen Favoriten) nicht im Portfolio hat, einen der führenden Lieferanten von Diabetestherapien im US-Markt und weltweit.
Resümee von Morningstar: Die Unternehmensdaten aus dem Jahr 2020 stützen die Ansicht nicht, dass die Globalisierung rückläufig sei. Für Anleger ist und bleibt es entscheidend, global zu denken. Für deutsche Anleger möchte ich ergänzen, die meisten von ihnen sollten ihr Portfolio noch internationaler ausrichten als bisher.