In der vergangenen Woche wurde auf der von der Europäischen Zentralbank im portugiesischen Sintra veranstalteten Internationalen Notenbankkonferenz eine wichtige Nuance deutlich, welche die EZB derzeit von der amerikanischen Federal Reserve Bank fundamental unterscheidet. Es ist die Frage, ob es eine Rückkehr zu den niedrigen Inflationsraten geben wird, die wir vor der Pandemie gekannt haben.
Von Jerome Powell, dem US-Notenbanchef wird diese Frage grundsätzlich bejaht. Begünstigt wurden die niedrigen Inflationsraten der letzten Dekade von einer Reihe von Faktoren, welche dazu geführt haben, dass das Preisniveau in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften langsam angestiegen sei.
Zu ihnen zählten die fortschreitende Globalisierung, die demographische Alterung sowie der technologische Fortschritt. Die Pandemie habe die Dominanz dieser Faktoren beendet. Nun seien andere Kräfte am Werk. Es sei unklar, meinte Jerome Powell, ob man zu dem früheren langsamen Anstieg des Preisniveaus zurückkehren könne und wenn ja, in welchem Ausmaß.
Christine Lagarde sieht keine schnelle Rückkehr zu niedrigen Inflationsraten
Während die US-Notenbank somit damit rechnet, die Inflation einfangen und wieder auf die früheren Niveaus zurückbringen zu können, auch wenn man dafür eine Abkühlung der Wirtschaft und Verluste am Aktienmarkt hinnehmen muss, war EZB-Chefin Christin Lagarde in Sintra nicht der Meinung, dass die Welt zu jenen niedrigen Inflationsraten zurückkehren könne, wie sie vor der Pandemie gegeben waren.
Als Grund für ihre deutlich pessimistischere Einschätzung verwies sie auf strukturelle Faktoren wie den Rückgang der Globalisierung. Er sei maßgeblich für die aktuell besonders hohen Inflationsraten verantwortlich. Hinzu komme die angespannte Situation auf den Energiemärkten.
Mit ihrer Fehleinschätzung der Energiesituation sei die Europäische Zentralbank nicht alleine gewesen. Sie habe diese jedoch als Erste zugegeben. Bei der Frage, ob man zum EZB-Ziel von zwei Prozent Inflation im mittelfristigen Zeitfenster zurückkommen könne, seien deshalb die Entwicklungen im Bereich der Energie, des Krieges in der Ukraine, der Löhne und der Inflationserwartungen entscheidend.
Auch die in Deutschland im Juni leicht gesunkene Inflationsrate möchte Christine Lagarde deshalb nicht überbewerten. Entscheidend ist, ob es zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt und wie sich die Inflationserwartungen weiterentwickeln werden.