Eine Online-Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hat sich mit der Situation von Mitarbeitern auf Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten befasst. Die Situation ist alarmierend:
Mehr als 70 Prozent der Beschäftigten in diesen Bereichen fühlen sich während der dritten Corona-Welle überlastet. Jeder Dritte gab sogar an, den Beruf in den nächsten 12 Monaten verlassen zu wollen. Drei Viertel gaben an, den Beruf aufgrund der Belastungen durch die Corona-Pandemie verlassen zu wollen.
Belastung zu hoch
An der Befragung haben 1.321 Mitarbeiter teilgenommen. Sie beklagen, dass sie Belastung und Beanspruchung auf Intensivstationen, in den Notaufnahmen und beim Rettungsdienst seit der Corona-Pandemie kontinuierlich gestiegen sind. Die aktuelle sogenannte „dritte Welle“ würde die Arbeitsbelastung noch verstärken.
Die DGIIN resümiert: „Die Ergebnisse der Umfrage zeigen eine dramatische Entwicklung in der Intensivpflege in Deutschland auf – eine Entwicklung, die die gesamte Krankenhausstruktur in Deutschland in den kommenden Jahren nachhaltig verändern wird.“
Am Donnerstag hatte ein Intensivpfleger auf der Bundespressekonferenz laut Berichten des Journalisten Boris Reitschuster die Politik von Jens Spahn „regelrecht zerlegt“. Dieser berichtete bei der Konferenz, bei der auch Gesundheitsminister anwesend war, dass der versprochene „Pflegebonus“ gar nicht angekommen sei, weil viele Kollegen – so wie er – bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt seien.
Indes hätten tausende Mitarbeiter des Deutschen Bundestags einen Corona-Bonus erhalten. Der Intensivpfleger beklagte zudem, dass „die Pflege schon seit Jahren am Limit arbeite – nicht erst seit Corona – und das bislang niemanden in diesem Umfang wie jetzt interessiert habe“. Die Debatte um die Situation in der Pflege werde ja nicht erst seit der Corona-Krise geführt, sagte der Pfleger. Wenn der Pflegepersonalmangel vor Jahren ernst genommen worden wäre, gäbe es jetzt nicht die Belastung in den genannten Einrichtungen.
Offenbar fließt nicht genug Geld in den Bereich, der gerade in der Corona-Pandemie am meisten gefordert ist: In die Pflege von Kranken und Alten. Warum unternimmt das Gesundheitsministerium nicht mehr, um die aufgrund von Personalmangel überlasteten Fachkräfte an vorderster Front zu unterstützen und zu entlasten? Dass hier keine Hilfe ankommt, zeigt nicht nur der Bericht des Intensivpflegers bei der Bundespressekonferenz, sondern die Umfrage im Pflegebereich.
Selbst das Ärzteblatt schrieb schon 2019 über die katastrophale Situation im Gesundheitsbereich: „Schon heute sind in zahlreichen Krankenhäusern Intensivbetten gesperrt, weil es zu wenig Pflegekräfte gibt.
Eine Umfrage unter Intensivpflegern zeigt nun, dass sich die Situation in den nächsten Jahren weiter zuspitzen wird. Um den Status der intensivmedizinischen Versorgung zu halten, sind grundlegende Änderungen notwendig.“
Weiter heißt es dort: „Der Mangel an Pflegepersonal in der Intensivmedizin nimmt immer deutlichere Ausmaße an. Bereits jetzt kommt es in Spitzenzeiten wie der Grippewelle 2017/2018 zu Einschränkungen in der Notfallversorgung der Bevölkerung. Doch auch der Normalbetrieb ist in vielen Intensivstationen angesichts des Personalmangels häufig nicht mehr aufrechtzuerhalten, sodass vielfach Intensivbetten gesperrt werden müssen.“
„Eine 2018 durchgeführte Erhebung hat gezeigt, dass in den teilnehmenden Krankenhäusern mindestens ein bis zwei Betten pro Intensivstation gesperrt sind. Insgesamt 82 Prozent aller befragten Intensivmediziner gaben an, dass dadurch die Notfallversorgung beeinträchtigt sei.“
„(…) Auf die Frage nach einer generellen Unzufriedenheit im Beruf antworteten 68 Prozent mit einem ‚Ja‘. Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren empfanden 97 Prozent der Befragten. 94 Prozent gaben an, dass das ökonomische Interesse bei der Versorgung im Vordergrund stehe.“ Dieser Text stammt nicht etwa aus dem Frühjahr 2021, sondern aus dem Jahr 2019. Jens Spahn ist seit dem 14. März 2018 Bundesminister für Gesundheit.