Der Infektiologe und ehemalige gesundheitspolitische Berater des Bundes, Prof. Dr. Matthias Schrappe, hat in einem Interview mit der BILD erneut heftige Kritik an der Regierung geübt. Prof. Schrappe ist Sprecher der Arbeitsgruppe „Info-Plattform Corona“, die in dem Papier „Epidemiologie und die sogenannte 3. Welle“ auf Probleme im Kurs der Bundesregierung hinweist.
Inzidenzzahlen ein Problem
Über das Osterfest sind die Corona-Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) gesunken. Prof. Schrappe hält diese Zahlen für das eigentliche Problem. Denn dass die Zahlen gesunken seien belege, dass die Corona-Zahlen von den Meldezahlen abhängig seien und keine Aussage über die tatsächliche Verbreitung des Virus beschreiben könnten.
Prof. Schrappe, ehemaliger Chef und Ärztlicher Direktor der Uni-Klinik Marburg, kritisiert die Inzidenz-Zahlen schon seit mehreren Monaten. In einem Interview mit der „Oberhessischen Presse“ sagte er, die vom RKI herangezogenen Werte wie Inzidenz, R-Wert und Intensivbetten-Auslastung seien nicht belastbar, hätten für sich genommen wenig Aussagekraft. Der Inzidenz-Wert sei keine zuverlässige Melderate. Wenn man viel teste, seien die Zahlen hoch, wenn man wenige teste, seien sie niedrig.
Anstatt Gesundheitsämter bis heute Meldezahlen sammeln zu lassen, müsste man mit Kohorten-Studien arbeiten, so Schrappe. Man müsse große, repräsentativ ausgewählte Gruppen, über lange Zeit immer wieder untersuchen und testen. Dann könne man tatsächlich die Ausbreitung in Deutschland oder einzelnen Regionen sehen.
„Was von der Regierung als Inzidenz bezeichnet wird, ist nur eine Rate von gemeldeten Fällen, die weder die Dunkelziffer noch die Abhängigkeit von der Testfrequenz einbezieht“, so Schrappe zu den aktuellen Osterzahlen. Die Zahl der durchgeführten Tests bei den jüngeren Altersgruppen sei massiv gestiegen, die Quote der positiven Tests aber nicht. Das spreche dafür, dass hinter dem Anstieg, der gerade eine so große Rolle spiele, ausschließlich eine Zunahme der Testfrequenz stehe, schlussfolgert der Infektiologe.
Auch die Zahl der gemeldeten Intensiv-Betten sei kritisch zu hinterfragen. Plötzlich gebe es 10.000 Betten weniger als im August. Es sei „unglaublich“, dass es bei diesem Punkt keine differenzierenden Zahlen gebe, kritisiert Schrappe. Fakt sei, dass man nicht wisse, wie viele Menschen im Land tatsächlich mit Corona infiziert seien; man würde aber so tun, als ob die Inzidenz genau dies aussage, so die Schlussfolgerung des Fachmediziners.
Um Infektionen einzudämmen, brauche es spezifische Maßnahmen aber keinen Bundeslockdown, so Schrappes Resümee: „Wenn Frau Merkel immer weiter das Falsche tut, dann ist völlig klar, dass das Schlimme auch passiert. Das ist eine fehlerhafte Politik, die zu einem fehlerhaften Ergebnis führt.“