Ein neues Phänomen greift in Deutschland um sich: Der „Pflexit“ – der Austritt von Pflegekräften aus den Arbeitsverhältnissen auf Intensivstationen, so „Bibliomed“. Dies gehe aus den Auswertungen des „Melderegisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“ (DIVI) hervor. Dieses Melderegister wird seit Frühjahr 2020 berieben.
Deren Präsident und wissenschaftlicher Leiter, Christian Karagiannidis, twitterte am Mittwoch, dass die Zahl der betreibbaren Betten von Monat zu Monat zurückgehen würde. Hintergrund dieser Entwicklung ist die Flucht der Pflegefachpersonen.
20 bis 30 % wollen gehen
Nach Angaben des DIVI, so jedenfalls wird Karagiannidis dem WDR gegenüber zitiert, würden 20 bis 30 % der Pflegefachpersonen ihren Beruf niederlegen. Dies wäre nicht ausschließlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern habe auch strukturelle Gründe.
In den Niederlanden betreue eine Kraft im Verhältnis 1:1 eine Intensivpatientin bzw. einen Intensivpatienten. Tagsüber wäre dieses Verhältnis in Deutschland auf 2:1 gewachsen und nachts belaufe es sich sogar auf 3:1.
Damit sind die Pflegefachkräfte offenbar überfordert. Eine Folge der permanenten Überlastung des Personals sowie des schon vorhandenen Mangels an Pflegefachpersonen würden die großen Kliniken nach Auskunft des Funktionärs den Bestand an Intensivbetten reduzieren, bei denen eine invasive Beatmung möglich sei.
Die Folgen sind klar: Die Überlastung des Gesundheitssystems dürfte auch in Zukunft rasch wieder zum Thema werden, wenn die Zahlen im Herbst und Winter ansteigen. Wenn unter dem Strich tatsächlich so viele Pflegekräfte die Stationen verlassen und die Betten abgebaut werden, dürfte das Land bei einer größeren Delta-Welle Schwierigkeiten bekommen. Die Zahl der betreibbaren Betten wird in Deutschland in der öffentlichen Diskussion in der Regel kaum einmal betont.