„Die Zahl der Unternehmen, die Deutschland verlassen und ins Ausland abwandern wollen, wächst beständig. Im Vergleich zu einer im Vorjahr durchgeführten Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer hat sich die Zahl der Firmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern wollen, verdoppelt und zahlreiche Unternehmen haben bereits damit begonnen, die notwendigen Schritte einzuleiten.
Bevorzugte Auswanderungsziele sind derzeit die USA und Frankreich. Sie locken mit Strompreisen, von denen die Stromverbraucher in Deutschland nur träumen können. Besonders stark ausgeprägt ist die Bereitschaft, dem Land den Rücken zu kehren und auszuwandern, bei den großen mittelständischen Unternehmen und der Industrie mit mehr als 500 Mitarbeitern.
Das Vertrauen der Wirtschaft in die Energiepolitik der Bundesregierung ist damit auf einen neuen Tiefpunkt gefallen. Inzwischen plant oder realisiert bereits fast ein Drittel aller Industriebetriebe den Aufbau neuer Produktionsstätten im Ausland zu Lasten der Produktion im Inland.
Der Exodus der deutschen Industrie ist im vollen Gange
Bei den Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter ist diese Tendenz mit einem Anteil von 43 Prozent besonders stark ausgeprägt. Hier fällt der Schritt auch relativ leicht, weil die Verflechtungen mit dem Ausland ohnehin sehr groß sind. Auf der anderen Seite konkurrieren diese Unternehmen mit ausländischen Firmen und sind damit vom deutschen Standortnachteil besonders stark betroffen.
Fast zwei Drittel der ins Auge gefassten Maßnahmen sind bereits angelaufen oder sogar schon abgeschlossen. Das zeigt, dass die zunehmenden Warnungen vor einer Deindustrialisierung Deutschlands nicht aus der Luft gegriffen, sondern sehr real sind. In Frankreich liegt der Industriestrompreis deutlich unter dem deutschen Niveau und die USA locken deutsche Unternehmen gerade mit einem milliardenschweren Subventionsprogramm ins Land.
Sorgen bereitet den 3.572 Unternehmen, die an der Umfrage der DIHK teilgenommen haben, nicht nur die Höhe des Strompreises in Deutschland. Auch die Sorge um die mittel- und langfristige Energieversorgung ist groß. Die Deutsche Industrie und Handelskammer schlägt deshalb verschiedene Maßnahmen vor, um gegenzusteuern. Zu ihren Hauptforderungen gehören ein Investitionszuschuss für die Stromkosten und Direktlieferverträge zwischen Erzeugern und Abnehmern.“
Aus der Redaktion – Passend dazu auch diese Meldung:
Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, kritisiert die Standortpolitik der Bundesregierung scharf. „Es braucht keinen Wumms beim Ausgeben geliehenen Geldes, sondern eine Rückbesinnung auf eine gute Standortpolitik“, sagte Felbermayr den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwochsausgabe).
„Das ist mehr als das Verteilen von Subventionen im Inland und das Errichten von Barrieren gegenüber dem Ausland“, erklärte der Wirtschaftsforscher. „Schon seit Jahren scheint die Standortqualität kein zentrales Anliegen der Politik mehr zu sein.“ Als Beispiele nannte er die hohen Energiekosten und Steuern sowie fehlende Arbeitskräfte und hohe Löhne. Felbermayr warnte, dass Deutschland bei der Neuausrichtung des Welthandels zum Verlierer werden könnte. „Die Gefahr besteht“, sagte er. Für Exportnationen wie die Bundesrepublik sei die Neuordnung „besonders herausfordernd“. Darüber hinaus warnte Felbermayr die Bundesregierung vor einem zu harten China-Kurs. „Wer im Glashaus sitzt, sollte sich genau überlegen, ob er wirklich mit Steinen werfen will“, erklärte der Wirtschaftsforscher. Viele heimische Unternehmen produzierten in China und würden durch Maßnahmen wie neue Zölle belastet. „Dazu kommt, dass sich China seinerseits wohl mit protektionistischen Gegenmaßnahmen wehren würde“, sagte er. „So kommt nicht das gewünschte De-Risking zustande, sondern das eigentlich von EU-Kommission und Bundesregierung abgelehnte De-Coupling.“
Bericht mit Material der dts Nachrichtenagentur
Foto: Unterschrift des Ampel-Koalitionsvertrags am 7.12.21, über dts Nachrichtenagentur