Die Freude der Autofahrer über niedrige Benzin- und Dieselpreise ist die Betrübnis der Ölminister der OPEC+-Staaten, denn sie sind vor allem an höheren Preisen und damit an vermehrten Staatseinnahmen interessiert. Das beständige Ringen zwischen diesen beiden Gruppen könnten in den nächsten Wochen in eine neue Runde gehen, denn die OPEC hat auf die anhaltend schwachen Ölpreise reagiert und eine Verlängerung ihrer Produktionskürzungen beschlossen.
Der Schritt kommt nicht unerwartet. Allerdings zwingt er die drei Energieagenturen dazu, ihre Prognosen zu überarbeiten. Das wird vermutlich schon in den nächsten Tagen geschehen. Bislang waren die Prognosen von einer hohen Diskrepanz zwischen den Annahmen der OPEC und der US-Energiebehörde IEA geprägt. Letztere war bis vor kurzem davon ausgegangen, dass die freiwilligen Produktionskürzungen planmäßig auslaufen würden.
Nun ist die Anfang März angekündigte Verlängerung der freiwilligen Produktionskürzungen von acht OPEC+-Ländern bis zum Ende des zweiten Quartals jedoch auf dem Tisch und muss berücksichtigt werden. Als Folge dieser Entscheidung dürfte daher auch die IEA nun nur noch von einen bestenfalls leicht überversorgten Ölmarkt im zweiten Quartal ausgehen.
Deutliche Differenzen bei der erwarteten Ölnachfrage
Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch auch weiterhin bei der Einschätzung der in diesem Jahr zu erwartenden Ölnachfrage. An dieser Stelle ist die IEA wesentlich skeptischer als die OPEC, die bislang noch keine Anstalten gemacht hat, ihre recht optimistische Sicht auf die zu erwartende Nachfrage zu revidieren.
Für die Frage wie schlecht, gut oder überversorgt der Ölmarkt in den kommenden Monaten sein wird, dürfte deshalb die zu erwartende US-Ölproduktion eine wesentliche Rolle spielen. Im Vorjahr hat die US-Ölproduktion sehr positiv überrascht. Die IEA bleibt aber dennoch vorsichtig. Sie rechnet erst im Februar des kommenden Jahres damit, dass das Rekordhoch von 2023 wieder erreicht wird.
Den Grund für diese eher zurückhaltende Einschätzung stellen die Bohraktivitäten dar. Sie sind in den USA im Lauf des letzten Jahres stark zurückgekommen. Da das US-Schieferöl aber nur dann ordentlich fließt, wenn zuvor fleißig gebohrt wurde, ist ein Rückgang der US-Ölproduktion mangels ausreichender Bohrungen durchaus zu erwarten.
Dies alles könnte dazu führen, dass die IEA, die bislang von leicht fallenden Ölpreisen ausging, ihre Annahme schon bald revidieren muss. So rechnen beispielsweise die Rohstoffexperten der Commerzbank eher mit steigenden als mit fallenden Preisen. Eine deutliche Unterstützung erhalten die Preise zudem durch die anhaltenden Spannungen im Roten Meer.