Wie radikal ist radikal? Gedanken zur Zinspolitik der Notenbanken

In den Medien ist derzeit immer wieder der Gedanke zu lesen, die westlichen Notenbanken hätten zwar spät auf die ansteigende Inflation reagiert, dafür würden sie nun aber umso energischer und entschiedener gegen die Teuerung vorgehen. Deshalb wird gleichzeitig davor gewarnt, dass die Wirtschaft in den westlichen Ländern schon bald in eine Rezession abrutschen könnte.

Einigkeit dürfte wohl nur über einen einzigen Punkt in der Diskussion zu erzielen sein: Die Notenbanken haben zu spät und zu langsam auf die stark steigende Inflation reagiert. Zur Bestätigung dieser These braucht nur auf das Vorgehen einiger Zentralbanken aus den Emerging Markets verwiesen werden. Sie haben schon 2020 mit massiven Zinsschritten auf die sich abzeichnende Inflation reagiert.

Zu diesem Zeitpunkt schienen die US-Notenbank und selbstverständlich auch die großen Gelddrucker bei der Europäischen Zentralbank und der Bank of Japan noch alle Zeit der Welt zu haben. Diesen Luxus scheint zumindest die Federal Reserve Bank in den USA nicht mehr zu verspüren. Sie erhöht inzwischen ihre Zinsen in einem sehr schnellen Tempo.

Erst zu langsam, jetzt zu schnell?

Zu schnell sagen einige der Kritiker. Sie fürchten, dass das scharfe Vorgehen der FED die US-Wirtschaft und in ihrer Folge auch andere Volkswirtschaften in eine Rezession führen wird. Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen, denn als besonders stark und krisenfest erscheint die US-Wirtschaft derzeit nicht.

Was will man auch nach zwei Jahren, in denen man mit Lockdowns und anderen fragwürdigen Maßnahmen das wirtschaftliche Leben radikal abgewürgt hat, anderes erwarten? Doch nun ist nicht nur die Wirtschaft gefährdet, sondern das Kind auch in den inflationären Brunnen gefallen.

Die Notenbanken müssen sich deshalb entscheiden und diese Entscheidung ist nicht die eines gutmütigen Sowohl-als-auch, sondern die eines knallharten Entweder-oders. Es wird entweder die Wirtschaft gestützt oder zum inflationären Brunnen geeilt, um das Kind zu retten. Aber beides gleichzeitig wird nicht gehen.

Wenn das Vorgehen der Notenbanken wirklich so entschieden und radikal wäre, wie es jetzt oftmals behauptet wird, müsste diese Dramatik im Handeln und in den Entscheidungen der Notenbanken sichtbar werden. Dort sucht man sie allerdings vergebens. Vielmehr wird der Eindruck suggeriert, dass man eine Inflation von rund acht Prozent mit einer überschaubaren Reihe von kleinen Zinsschritten zu je 0,25 Prozentpunkte erfolgreich bekämpfen könnte.