Für die meisten Deutschen ist Olaf Scholz vielleicht noch „der Bundeskanzler“ aber ganz bestimmt nicht mehr „ihr Kanzler“. Die Ablehnung des derzeitigen Kanzlers ist so stark und so partei- und länderübergreifend, dass sich zwangsläufig die Frage aufdrängt, wie lange die SPD noch gewillt ist, diesen Kanzler zu dulden.
Ein Blick in die Geschichte ist hier hilfreich, denn schnell wird deutlich, dass die gefährlichsten Widersacher für einen SPD-Kanzler mit schöner Regelmäßigkeit in seiner eigenen Partei zu finden waren. Heute zählt Helmut Schmidt zu den beliebtesten deutschen Kanzlern. Zu Fall gebracht hat ihn Anfang der 1980er Jahre jedoch der linke Flügel der SPD.
Auch Gerhard Schröder wurde von den eigenen Genossen so stark unter Druck gesetzt, dass er 2005 die Flucht in Richtung Neuwahlen antrat. Diese gewann, wenn auch nur knapp die CDU unter einer gewissen Angela Merkel. Wie lange sie anschließend im Amt war, dürfte noch allgemein bekannt sein.
Es ist einsam um Olaf Scholz geworden
Während die allgemeine Zustimmung zu Olaf Scholz im Rekordtempo schwindet, gilt Verteidigungsminister Boris Pistorius derzeit als beliebtester Politiker im Land. Er könnte als Nachfolger bereitstehen, wenn er denn wollte. Doch ihm ist nur zu gut bekannt, wie kurzlebig die Gunstbeweise des öffentlichen Publikums sein können.
Noch zögert die SPD-Spitze und das aus gutem Grund, denn ein politischer Kanzlermord löst die massiven Probleme nicht, weder die innerhalb der Koalition noch die draußen im Land. Doch im Herbst stehen Landtagswahlen an und sie drohen für die Kanzlerpartei verheerend auszugehen.
Verändern sich die Zustimmungswerte bis zu den Wahlen nicht mehr, muss die SPD mit einstelligen Wahlergebnissen rechnen. Für eine einstige Volkspartei und ihre Mandatsträger ist das eine wahrlich bittere Pille. Letztere haben viel zu verlieren und dürften damit zunehmend nervöser werden. Ob diese Nervosität reichen wird, um zum politischen Dolch zu greifen und zur Tat zu schreiten, werden die kommenden Wochen zeigen.