Was immer sich Wladimir Putin vorgestellt hat, als er seinen Truppen den Befehl gab, am 24. Februar die Grenze zur Ukraine zu überschreiten. Das, was seitdem geschehen ist, dürfte es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gewesen sein. Nun hat er den Krieg, nicht aber die Erfolge und Vorteile, die dieser ihm eigentlich bringen sollte.
Der erhoffte Blitzkrieg ist ausgeblieben. Ebenso die freudige Begrüßung der russischen „Befreier“ durch die einheimische Bevölkerung. Militärisch stockt der Vormarsch und die wesentlichen Ziele, eine vollständige Besetzung der Ukraine und die Installation einer neuen moskauhörigen Regierung in Kiew konnten nicht erreicht werden.
Auch der Westen reagierte nicht gespalten sondern in einer Einmütigkeit, die man lange nicht mehr gesehen hatte, und anstatt wortreicher Erklärungen waren harte Sanktionen die Quittung für den neuerlichen Bruch des Völkerrechts. Für Wladimir Putin stellt sich die Lage in der Ukraine damit heute ganz anders dar als 2014 nach der Annektion der Krim.
Fehlende Strategien auf allen Seiten
Hat der russische Präsident eine Strategie dafür wie es nun weitergehen soll. Oder spielt er auf Zeit und hofft, am Ende doch dank der numerischen Überlegenheit seiner Streitkräfte den Sieg davonzutragen? Sollte es im Kreml eine Strategie geben, dürfte es sich bei ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine andere handeln, als jene, mit der man am 24. Februar in den Krieg zog.
Hat die ukrainische Seite eine Strategie, die nicht nur den Krieg beenden, sondern langfristig zu einer Lösung der bestehenden Probleme führen könnte? Ist sie im Westen oder in China vorhanden? Bislang zeichnet sich am politischen Horizont nicht einmal ein Waffenstillstand ab. Geschweige denn ein Frieden, der dieses Wort tatsächlich verdient. Nur zur Erinnerung: In Korea gibt es fast 70 Jahre nach dem Ende der Kämpfe immer noch keinen Frieden, sondern nur einen Waffenstillstand.
Der erste Weltkrieg begann im Sommer 1914 und war bis zum Beginn des Herbst schon fast entschieden. Deutschland siegte bei Tannenberg gegen die Russen und musste im Westen nach dem Verlust der Marneschlacht erkennen, dass der Schieffenplan gescheitert war.
Eine strategische Alternative hatte man nicht. Die Alliierten allerdings auch nicht. So bekriegte man sich weiter, bis zur totalen Erschöpfung. Vier Jahre lang. Könnte der Krieg in der Ukraine ebenso lange andauern? Wenn die Armut an Strategien, ihn zu beenden, weiterhin so groß ist wie jetzt, dann schon. Leider.