Beim Blick auf den Ölmarkt ist eine der spannendsten Fragen dieser Tage wie die OPEC+-Staaten auf die jüngste Preisschwäche des Ölpreises reagieren werden. Zwar ist die politische Lage im Nahen und Mittleren Osten immer noch sehr angespannt, doch dem Ölpreis hilft dieser Druck aktuell nicht weiter.
Von seinen Hochs ist das Öl wieder deutlich zurückgekommen und es hat ein wenig den Anschein, als wolle dem schwarzen Gold ein nachhaltiger Sprung über die Marke von 85 US-Dollar für ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent nicht dauerhaft gelingen. Für die Förderländer insbesondere für Saudi-Arabien und Russland ist dies eine höchst unbefriedigende Situation.
Sie hatten ursprünglich vor, ihre freiwilligen Förderbeschränkungen Ende Juni wieder auslaufen zu lassen. Mit Spannung erwartet der Markt daher das nächste Treffen der Ölminister, das für den 1. Juni angesetzt ist. Hält der Preisverfall auch im weiteren Verlauf des Mais an, dürfte es den Ölministern schwer fallen, die abgesenkten Förderquoten wieder anzuheben.
Die nächsten Prognosen zur Nachfrage werden mit Spannung erwartet
Deutlich wird dieses Dilemma an den jüngsten Äußerungen des stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Nowak. Er hat frühere Äußerungen, wonach bei dem Treffen am 1. Juni auch über eine Erhöhung der Förderung diskutiert werden soll, inzwischen wieder zurückgenommen. Das deutet an, dass die weltweite Nachfrage nach Öl weiterhin zu schwach ist, um die von den OPEC+-Staaten gewünschten Ölpreise am Markt durchsetzen zu können.
Mit Spannung werden von den Marktteilnehmern deshalb die nächsten Schätzungen der großen Energieagenturen erwartet. Als erste werden sich die OPEC selbst und die Internationale Energieagentur IEA äußern. Ihre Prognosen stehen in dieser Woche zur Veröffentlichung an.
Die US-Energiebehörde IEA hatte sich in ihrer in der letzten Woche veröffentlichten Schätzung vor dem Hintergrund der schwachen Wirtschaft in den Industrieländern skeptischer bezüglich der globalen Ölnachfrage geäußert. Deshalb schaut der Markt nun gespannt auf die Schätzungen der OPEC und der IEA.
Beobachter rechnen mit einer Korrektur der zu optimistischen Schätzungen
Da insbesondere die OPEC-Schätzung, die von einem Wachstum der globalen Ölnachfrage um gut 2,2 Millionen Barrel in 2024 aufgeht, als sehr ambitioniert eingeschätzt wird, sehen viele Beobachter an dieser Stelle einen Korrekturbedarf. Gleiches gilt für die Prognose der IEA. Auch sie ging bislang von einer deutlichen Belebung der Ölnachfrage in der zweiten Jahreshälfte aus, die es den OPEC+-Staaten erlauben würde, ihre Produktionskürzungen wieder zurückzunehmen.
Sollten sich beide Schätzungen als zu optimistisch erweisen und die beiden Agenturen ihre Prognosen für die weltweite Ölnachfrage senken, dürfte der Druck auf den Ölpreis weiter anhalten. Das Abwärtspotential dürfte allerdings begrenzt sein, weil eine Beibehaltung der freiwilligen Produktionseinschränkungen der OPEC+-Staaten bis in das zweite Halbjahr vom Markt längst als wahrscheinlich angesehen wird und deshalb bereits bei den Preisen antizipiert wurde.