Das vergangene Jahr 2022 war kein gutes Jahr für die Aktienmärkte. Noch schlimmer als die Aktionäre erwischte es jedoch die Anleger an den Anleihenmärkte, denn die Kurse der Bonds erlebten einen Crash wie ihn die meisten Anleger in ihrem Leben noch nicht erlebt hatten. Im Hintergrund steht der Zusammenhang, dass der Kurs einer Anleihe fällt, wenn die Zinsen steigen.
2022 sind die Zinsen, wir wir alle wissen, sehr stark gestiegen. Entsprechend stark waren die Kursrückgänge der Anleihen. Diese betreffen auch die Bilanz der EZB, denn in den Jahren der Niedrig-, Null- und am Ende sogar Negativzinspolitik hat sich die Europäische Zentralbank mit Anleihen vollgesogen, die nun bei steigenden Zinsen dramatisch an Wert verlieren.
Bei einer Geldmenge von 16.000 Milliarden Euro verfügt die EZB heute in ihrer Bilanz über Anleihen im ursprünglichen Wert von 5.000 Milliarden Euro. Diesen Wert kann die Europäische Zentralbank bei einem derzeitigen Verkauf der Papiere jedoch nicht mehr erlösen, denn die Kurse der gekauften Anleihen sind im Jahr 2022 dramatisch gefallen.
Ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bank sieht das Ende des Euros in seiner jetzigen Form
Geht man von einer durchschnittlichen Restlaufzeit von acht Jahren aus, so hat jede Erhöhung des Leitzinses um einen Prozentpunkt die Folge, dass sich der aktuelle Wert der von der EZB gehaltenen Anleihen um 400 Milliarden Euro reduziert. Werden die Zinsen in der Eurozone weiter erhöht, wird somit auch das Eigenkapital der EZB immer schneller abschmelzen.
Zwar kann eine Zentralbank sich in ihrer eigenen Währung grenzenlos verschulden und damit technisch nicht pleitegehen, doch die anderen Besitzer von Staatsanleihen wie beispielsweise die Geschäftsbanken und Pensionskassen haben diese Möglichkeit nicht. Sie könnten bei weiter steigenden Zinsen daher leicht in eine Lage kommen, die für sie existenzbedrohend ist.
Der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Prof. Dr. Thomas Mayer, warnt deshalb davor, dass die im letzten Jahr geplatzte Blase am Anleihenmarkt die Banken in den Abgrund reißen könnte. Den Kursabsturz des letzten Jahres bezeichnet Mayer als den größten Bondcrash des Jahrhunderts.
Theoretisch könnte er sogar dazu führen, dass selbst die EZB als überschuldet anzusehen wäre. Praktisch wird dies zwar nicht passieren. Das Eigenkapital der Europäischen Zentralbank könnte so weit absinken, dass der Euro in seiner jetzigen Form keine Chance mehr hätte, zu überleben, warnt der Ökonom.