Seitdem sich die deutsche Politik dazu entschlossen hat, die Abhängigkeit des Landes von den Gaslieferungen aus Russland zu beenden, sieht sich die Bevölkerung immer wieder mit neuen Appellen zur Sparsamkeit und zur Reduzierung ihres Gasverbrauchs konfrontiert.
Je näher der Winter kommt, umso eindringlicher – man könnte auch sagen, umso verzweifelter – werden die Appelle werden, denn die Politiker, die sie aussprechen, wissen zumeist, dass es so nicht gehen wird, weil die eingängigen Appelle mit der Realität des deutschen Gasverbrauchs nur herzlich wenig zu tun haben.
Die Dusche 30 Sekunden früher zuzudrehen, spart selbstverständlich Gas. Niemand wird das bestreiten und ebenso klar ist, dass wenn viele so handeln, auch viel Gas gespart werden kann. Doch selbst wenn alle mitmachen, wird die Wirkung am Ende kaum spürbar sein.
Benötigt wird mehr als nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein
Warum das so ist, hat Christian Kullmann, der Vorstandsvorsitzende von Evonik, Anfang Juni bei einem Vortrag in Frankfurt am Main deutlich gemacht. Er bat seine Zuhörer, sich einen schier endlos langen Güterzug vorzustellen, der im spanischen Sevilla beginnt und in Frankfurt endet.
Auf der ganzen Strecke ohne Abstand direkt aneinandergereiht stünden am Ende Waggons prall gefüllt mit Erdgas. Dieses Bild vor Augen stellte er seinen Zuhörern die Frage, wie lange die deutsche Chemieindustrie – wohlgemerkt nur die deutsche Chemieindustrie, nicht die anderen Industriezweige und auch nicht die privaten Haushalte, mit diesem Gas auskommen könnten.
Die Antwort lautet: Sechs Stunden. Sechs Stunden Gas für eine Branche mit 5,6 Millionen Arbeitsplätzen in Deutschland. Damit dürfte auch jedem Laien, der sich normalerweise mit den Fragen der Energiesicherheit und der Energieversorgung nicht beschäftigt, klar sein, dass Einsparungen zwar helfen können aber ganz gewiss nicht die Lösung unseres Problems darstellen.