Neue Wirtschaftskrise: Diese „Krankheit“ belastet

Gesundheitsminister Lauterbach Portrait

Das deutsche Gesundheitssystem ist teuer, aber nicht unbedingt gut. Denn obwohl wir Deutschen unter allen Industriestaaten die höchsten Ausgaben für die medizinische Versorgung haben, ist die Volksgesundheit keineswegs eine der besten. In den letzten zehn Jahren sind die Gesundheitskosten in Deutschland um 25 Prozent gestiegen. Das wäre alles durchaus tragbar, müssten die Deutschen heute seltener zum Arzt als noch vor zehn Jahren.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Zahl der Arztbesuche hat in den letzten zehn Jahren weiter zugenommen. Besonders unangenehm für das System und die Ehrlichen, die mal wieder die Zeche zu zahlen haben, sind die Arztbesuche die nicht durch eine tatsächliche Krankheit bedingt sind. Es sei denn, man bezeichnet die Unlust zu arbeiten als eine Krankheit.

Da das System der Krankmeldung immer lascher geworden ist, steigt auch der Missbrauch. Heute zahlt der Arbeitgeber den Lohn ab dem ersten Krankheitstag für sechs Wochen weiter. Erst danach müssen die Krankenversicherungen die Bezahlung übernehmen. Das war nicht immer so. So gab es beispielsweise im Jahr 1957 noch eine dreitägige Karenzzeit, in der es für den Arbeitnehmer keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gab.

Scheinkrankheiten treten gehäuft an Montagen und Freitagen auf

Fünf Jahre später im Jahr 1961 wurde die Karenzzeit auf einen Tag verkürzt und 1970 durch das Lohnfortzahlungsgesetz vollständig abgeschafft. Stattdessen wurde für kurze Erkrankungen ein ärztliches Attest benötigt. Inzwischen reicht es, sich telefonisch von der Arbeit abzumelden, wenn sich ein Arbeitnehmer nicht wohl fühlt. Wie durch ein Wunder stieg nach jedem dieser Schritte, die Krankheitsquote deutlich an.

Schon im Jahr 1991 ermittelte das Mittelstandsinstitut in einer groß angelegten Befragung, dass sich mancher Arbeitnehmer durch falsche Krankmeldungen zwölf bezahlte Urlaubstage zusätzlich genehmigt. Diese Zahl hat sich inzwischen auf 15,3 Tage erhöht. Die Umfrage ergab, dass Arbeiter mit 72 Prozent besonders häufig Krankheiten simulieren, Beamte zu 56 Prozent und Angestellte nur zu 44 Prozent. Praktisch nie scheinkrank sind Unternehmer und Selbstständige.

Jede zweite Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde ohne vorherigen Arztbesuch ausgestellt und diese Art von Krankmeldungen tritt besonders häufig an Montagen (36 Prozent) und Freitagen (26 Prozent) auf. Je höher die Verantwortung ist, die ein Arbeitnehmer im Unternehmen hat, desto geringer ist auch die Neigung, scheinbare Erkrankungen vorzutäuschen.

Eine vernachlässigbare Größe sind diese Kosten allerdings nicht. Schon in den 1990er Jahren lagen die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten durch Scheinkrankheit bei 30 Milliarden Euro. Heute wird von einem Betrag ausgegangen, der doppelt so hoch ist.