Die Quittung für ihre ein wenig ideologisch anmutende Einseitigkeit in der Frage, wie sie ihre Energieversorgung in Zukunft sichern wollen, bekommen die Europäer aktuell präsentiert. Sie müssen anerkennen, dass bei Flaute nicht nur die Windräder, sondern auch die angeblich nur mit Ökostrom fahrenden ICE der Deutschen Bahn stillstehen und stundenlang nicht vom Fleck kommen.
Auch dämmert manchen langsam die Erkenntnis, dass die Solarzellen im Dunkeln keinen Strom liefern und damit gerade im Winterhalbjahr in den Zeiten mit hohem Stromverbrauch, also am frühen Morgen und am Abend als Stromlieferanten ausfallen. Abgefangen wurden diese Verbrauchsspitzen bislang über Kernkraftwerke, die man gerade dabei ist, endgültig abzuschalten, und über Gaskraftwerke.
Für Letztere stand bis zum Januar noch russisches Erdgas zur Verfügung, das bedingt durch den Transport durch Pipelines zu vergleichsweise günstigen Kosten zu beziehen war. In der Zwischenzeit will man dieses – aus verständlichen Gründen – nicht mehr nutzen. Nun wird hektisch nach Alternativen gesucht. Sie gibt es entweder nicht oder nicht schnell und schon gar nicht zum Nulltarif.
Die Gas- und Ölpreise dürften noch lange hoch bleiben
Weitere Preisanstiege und Versorgungsengpässe sind damit nur eine Frage der Zeit. Auch in Zukunft werden die Energiepreise mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr hoch bleiben. Das Marktforschungsunternehmen MST Access rechnet damit, dass die Preise für europäisches Gas an den Terminmärkten mindestens für die nächsten drei Jahre doppelt oder dreifach so hoch sein werden wie noch im Jahr 2021.
Europa will das russische Gas ersetzen und das russische Öl natürlich auch. Es weiß aber nicht wie. Das gilt in einem ganz besonderen Maß für das Gas. Die gesamte norwegische Gasförderung von rund 110 Milliarden Kubikmeter wird bereits in die anderen europäischen Staaten geliefert. Zusätzlich bezog man bislang weitere 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland.
Die sollen nun wegfallen, am besten über Nacht und zu gleichbleibenden Kosten. Doch das ist unmöglich. Selbst wenn die Norweger es wollen, werden sie ihre Gasproduktion in kürzester Zeit nicht verdoppeln können, und wenn man den Despoten im Kreml durch jene in Katar ersetzt, ist ethisch so gut wie nichts gewonnen, das importierte Gas aber drei bis viermal so teuer wie bisher.