Wirtschaft ist das klassische Spiel von Angebot und Nachfrage. Ist diese hoch, ist es für die Unternehmen wesentlich leichter, am Markt höhere Preise durchzusetzen, als in den Zeiten, in denen die Nachfrage zurückgeht. Bedingt durch die Lockdowns hatte sich in den Jahren 2020 und 2021 eine gewisse Nachfrage angestaut.
Sie sorgte dafür, dass auch höhere Preise infolge der gestörten Lieferketten, die Kunden zunächst nicht verschreckten, denn genügend Geld auf dem Konto war vorhanden. So wurde es auch eingesetzt. Damals war die allgemeine Erwartung, dass die Preise wieder zurückgehen würden, sobald die Probleme in den Lieferketten gelöst seien.
Heute wissen wir, dass es anders kam. Aus den gestörten Lieferketten entwickelte sich eine strukturelle Inflation, die einmal ins Rollen gekommen, sich schnell durch alle Teile unseres Lebens und alle Bereiche der Wirtschaft fraß. Die Notenbanken benötigten einige Zeit, bis sie erkannten, dass die hohe Inflation alles andere als vorübergehend ist.
Ist es wirklich von Vorteil, die Kuh, die man melken will, auch zu schlachten?
Seitdem sie damit begonnen haben, gegenzusteuern und die Zinsen anzuheben, spüren auch die Verbraucher, den steigenden Druck. Viele Bauvorhaben sind mit Blick auf die aus dem Ruder gelaufenen Kosten zurückgestellt worden. Auch bei Autos, Möbeln und anderen teuren Konsumartikeln wird mittlerweile zweimal überlegt, ob es sinnvoll ist, diese Anschaffung jetzt zu tätigen.
Schaut man auf die Unternehmensgewinne, so ist von diesen Sorgen noch nicht allzu viel zu spüren. Sie sind im Jahr 2022 trotz Inflation und hoher Kosten kräftig gestiegen. Dies geht nur, wenn die Anbieter ihre Preise stärker erhöhen als ihre eigenen Kosten gestiegen sind.
Das haben viele Unternehmen, zu nennen sind hier besonders die Automobilhersteller in de letzten Monaten getan. Auch die Banken haben kräftig zugelangt und verdienen wieder prächtig. Während die Kreditzinsen nach den Zinserhöhungen der Notenbanken sofort anzogen, steigen die Guthabenzinsen nur eher zögerlich an.
Mit anderen Worten: Die hohe Inflation ist für viele Unternehmen derzeit so etwas wie ein Freibrief dafür, die Preise so stark zu erhöhen, dass auch die eigenen Margen und Gewinne steigen. Der Verbraucher wird dabei als eine Kuh betrachtet, die man gefahrlos melken kann. Das böse Erwachen wird dann kommen, wenn die Masse der Not der Stunde gehorcht und ihren Konsum drastisch zurückfährt.